Mit Crashkurs die Koalition retten?

■ In Nordrhein-Westfalen müssen die Bündnisgrünen eine Grundsatzentscheidung zum Umgang mit den Sozis fällen

Düsseldorf (taz) – Den nordrhein-westfälischen Bündnisgrünen steht auf dem Landesparteirat am morgigen Sonntag in Dortmund eine heiße Debatte bevor. Im Kern geht es bei dem Streit um die Frage, welche Mittel die Landtagsfraktion einsetzen soll, um SPD-Wirtschafts- und Verkehrsminister Wolfgang Clement Mores zu lehren. Vier grüne Kreisverbände und zahlreiche Einzelpersonen aus allen politischen Lagern der Partei wollen die Landtagsfraktion per Parteiratsbeschluß darauf festlegen, Clements Haushaltsplan im Landtag so lange zu blockieren, bis der von einigen höchst umstrittenen Verkehrsprojekten Abstand nimmt.

Clement will die Flughafenvergrößerung in Dortmund im Rahmen einer EU-Förderung mit 20 Millionen Mark aus der Landeskasse subventionieren. Außerdem soll in Bochum die A44 um 2,2 Kilometer verlängert und über eine Stadtautobahn mit der gleichzeitig auf sechs Spuren auszubauenden A40 verbunden werden. Vom Wortlaut des Koalitionsvertrages sind beide Projekte nicht gedeckt. Im Gegenteil: Darin wird versichert, daß das Land den Ausbau von Flughäfen „künftig nicht mehr“ fördern wolle. Die A44, heißt es weiter, „wird abgelehnt“. Heftig gestritten wird darüber hinaus auch um die nächtliche Frachtfliegerei auf dem Köln-Bonner Flughafen. Als „Ziel“ war hier die Schaffung einer Kernruhezeit von zwei Stunden im Koalitionsvertrag angegeben. Diese Initiative stand indes unter dem Arbeitsplatzvorbehalt. Und genau hier setzt Clement an. Er lehnt Ruhezeiten ab, weil einige Unternehmen für den Fall von Flugeinschränkungen schon mit Verlagerungen nach Belgien gedroht haben.

In dem Antrag an den Parteirat fordern vier grüne Kreisverbände aus den betroffenen Regionen die Landtagsfraktion nun auf, die Zustimmung zum Haushalt so lange zu verweigern, bis die Landesregierung erstens „in verbindlicher Form“ ihre Ablehnung der A44 auch gegenüber Bonn erklärt. Zweitens soll die Blockade so lange aufrechterhalten werden, bis alle Mittel für den Flughafenausbau in Dortmund aus dem Haushaltsentwurf zurückgezogen sind. Um dieses Junktim wird morgen gerungen. Der linke Fraktionsgeschäftsführer der Landtagsgrünen, Manfred Busch, plädiert dafür und rechnet damit, „daß der Parteirat dem Antrag folgt“. Seine zu den Realos zählende Fraktionssprecherin Gisela Nacken lehnt eine solche Verknüpfung ab. Auch Rainer Priggen, Sprecher der Landespartei, und der grüne Bauminister Michael Vesper warnen vor einem solchen Beschluß.

Bonner Grüne enttäuscht über die NRW-SPD

In Bonn hört man hinter vorgehaltener Hand Deftiges aus dem grünen Biotop. Wer der Fraktion eine solche Fessel anlegen wolle, sei entweder ein „saudummer Stratege“ oder besonders „hinterfotzig“, weil er „mit dem Antrag bewußt das Ende der Koalition“ im Auge habe.

Die Bundestagsabgeordneten Christa Nickels und Ludger Volmer übten heftige Kritik an NRW- Minister Clement. Beide halten die Interessen der Kreisverbände für „absolut legitim“ und machten deutlich, daß es der bündnisgrünen Führung immer schwerer falle, den Unmut der Basis zu besänftigen. Sie forderten Ministerpräsident Johannes Rau auf, Clement in die Schranken zu weisen, um einen Bruch der Koalition zu verhindern.

Volmer zeigte sich „massiv enttäuscht“ über die Reformbereitschaft der SPD. Er vermutet, manche SPD-Kreise legten es darauf an, das rot-grüne Reformprojekt kleinzuhalten, um dessen „Strahlkraft auf Bundesebene zu verhindern“ und so eine Große Koalition mit der Union zu erreichen. Die aktuellen „Turbulenzen“ seien nicht entstanden, weil die NRW- Grünen mit ihrer neuen Rolle nicht zurechtkämen, sondern weil „die SPD nicht realisiert hat, daß sie in NRW nicht mehr königsgleich regieren“ könne, sondern einen Koalitionspartner habe.

„Vertragsbruch“ und eine Destabilisierung des Regierungsbündnisses wirft Christa Nickels Clement wegen seiner Verkehrspolitik vor. Sie verstehe das „Clement-Feuerwerk“ nicht, schließlich habe dieser „wie kein anderer die Koalition gewollt“. Trotz allem setzt sie auf die „Vertragstreue der SPD“ und kann sich nicht vorstellen, daß diese „jetzt mit Peanuts den Koalitionsbruch riskiert“. Rau und die SPD-Basis müßten Clement jetzt von seinem „Kamikazekurs“ abbringen. Walter Jakobs/Karin Nink

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