Mit dem Rotstift gegen die Kritiker

■ Dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) werden nach kritischem Bericht die Senatsgelder gekürzt

Erst hatte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einem Wochenbericht von November 1995 festgestellt, daß das Defizit im Berliner Landeshaushalt höher ist als erwartet. Jetzt sind die Wirtschaftsforscher selbst von Sparmaßnahmen des Senats betroffen. Die zweihundert Mitarbeiter starke Institution soll laut einem jetzt zugestellten Bescheid der Wissenschaftsverwaltung in diesem Jahr mit einer Million Mark weniger auskommen. Doppelt hart trifft es das DIW, weil damit auch an die Ländermittel gekoppelte Bundesgelder gekürzt werden. Insgesamt verliert das DIW damit 2 Millionen seines Jahresetats von 16,3 Millionen.

Titel des Berichts im November war „Riesige Fehlbeträge im Berliner Landeshaushalt – Bisherige Sparbemühungen reichen nicht aus“. Daß die Kürzungsabsichten unmittelbar danach auf den Tisch kamen, hält im DIW kaum jemand für einen Zufall. „Es entsteht der Eindruck, daß wir für Nichtkonformität politisch abgestraft werden“, erklärte DIW-Präsident Lutz Hoffmann am Wochenende.

Der Vorstoß, dem DIW die Mittel zu kürzen, kommt aus der CDU. Bei den Koalitionsgesprächen stand nach Informationen aus dem DIW zunächst der gesamte Landeszuschuß von 8 Millionen Mark zur Disposition. In den Verhandlungen setzten SPD-Politiker aber die geringere Kürzung durch. Dabei hatte sich das DIW mit der Veröffentlichung der kritischen Haushaltszahlen sogar bewußt bis nach den Wahlen zurückgehalten, um nicht instrumentalisiert zu werden, erklärte gestern der DIW- Haushaltsexperte Dieter Vesper.

„Wir legen uns im Zweifel mit allen an“, betont Vesper die unabhängige Position des Instituts. Die Feststellung, daß die Standortdebatte um zu hohe Sozialabgaben verfehlt sei, weil es sich in Wirklichkeit um eine konjunkturelle und strukturelle Krise handle, vergrätzte die Unternehmen. Die Forderung nach genügsamen Lohnrunden verärgerte die Gewerkschaften. „Die Kürzungen greifen massiv in unsere Unabhängigkeit ein“, befürchtet Vesper. Das DIW müsse dann die Auftragsforschung ausdehnen, die bereits jetzt einen Anteil von 45 Prozent ausmacht. Das werde auf Kosten der Grundlagenforschung gehen.

Nach Vespers Berechnungen spart der Senat effektiv nur 680.000 Mark, denn die anderen Bundesländer übernehmen ein Drittel der Förderung. Rechnet man dann noch die durch die Kürzung verursachten Steuerausfälle und den Kaufkraftverlust hinzu, fallen netto nur 400.000 Mark Ersparnis ab. „Auch das DIW muß einen Sparbeitrag leisten“, sagt Vesper. Es dürfe aber auch nicht überproportional zur Ader gelassen werden. „Wenn der Betrag über vier Jahre gestreckt wird, könnten wir uns leichter darauf einstellen.“ Andernfalls müßte zwanzig Mitarbeitern gekündigt werden. Dorothee Winden