: Verseuchtes Gelände im Sonderangebot
■ Steglitzer „Chemulack“-Gelände soll im Mai zwangsversteigert werden
Kristian Benzmanns unternehmerisches Erbe „Chemulack“ erweist sich immer mehr als ein krimineller Sumpf. Dabei sind die Gelackmeierten vermutlich die Steuerzahler und die Gläubiger, nämlich die Berliner Bankenwelt. Der 63jährige Benzmann stand als Nummer eins auf der Passagierliste der Cessna 550, die am Rosenmontag aus weiterhin ungeklärter Ursache vor Salzburg abgestürzt ist. Die zehn Insassen starben.
Benzmann war Inhaber der Steglitzer Farben- und Lackfirma „Chemulack“. Mitte Dezember 1993 ließ das Umwelt- und Wirtschaftsamt des Bezirks das Unternehmen stillegen, weil Benzmann wiederholt gegen Umweltschutzauflagen verstoßen hatte. Ein Gutachten der Senatsverwaltung Stadtentwicklung und Umwelt von Anfang 1995 stellte fest, daß das 16.550 Quadratmeter große Firmengelände hochgradig verseucht ist, und zwar mit großen Mengen von Mineralölkohlenwasserstoffen wie Benzol und Toluol und aromatischen Kohlenwasserstoffen wie Phenol. Das sind Stoffe, mit denen Lacke und Verdünnungsmittel hergestellt werden und vor allem aus einem leckgeschlagenen unterirdischen 10.000- Liter-Tank in Boden und Grundwasser flossen. Jahrelang und mit Wissen Benzmanns ging das so.
1988 zeigte er den Schaden bei seiner Versicherung an und kassierte für die Beseitigung der Verseuchung eine Million Mark. Doch Benzmann unternahm nichts. Die Versicherung klagte, und vor Gericht bekam Benzmann 850.000 Mark zugesprochen.
Doch das war erst der Anfang der „Chemulack“-Machenschaften. Bis 1992 lieh sich Benzmann bei Banken – Sparkasse, Berliner Bankgesellschaft, Dresdner Bank, Weber-Bank – 8 Millionen Mark zusammen. So hoch war der Verkehrswert des Firmengeländes. Das Geld tauchte nie in den Geschäftsbüchern auf. Es floß auf Benzmanns Konto, dessen Frau in Dahlem eine große Villa besitzt. Er selbst nannte eine Wohnung auf Sylt sein eigen. Benzman hatte schon 1973 eine Schokoladenfirma in den Ruin geführt und war 1979 wegen betrügerischen Konkurses zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden.
Am 8. Mai soll nun zum drittenmal nach November 1994 und November 1995 versucht werden, das „Chemulack“-Gelände zwangsweise zu versteigern. Die Aussichten auf Erfolg sind gleich Null. Denn die Sanierung des Bodens „wird wohl einen dreistelligen Millionenbetrag kosten“, sagte Steglitz' Umwelt- und Wirtschaftsstadtrat Udo Bensel gestern gegenüber der taz. Er schloß nicht aus, daß der Steuerzahler am Ende mit einer Summe von über 300 Millionen Mark zur Kasse gebeten werde. Denn wenn kein Rechtsnachfolger für das verwaiste Firmenareal gefunden wird, geht es automatisch in Staatsbesitz über. Erst im letzten Jahr ist der Grund einer anderen in Konkurs gegangenen Lackfirma auf Staatskosten saniert worden. Für 65 Millionen Mark wurden 2.700 Quadratmeter sieben Meter tief entseucht. Christoph Oellers
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