Schirm & Chiffre
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■ Auf dem Videofest wurde die goldene Zukunft des Fernsehens verhandelt

Es tobt ein Kampf zwischen Schrankwand und Schreibtisch – fast unbemerkt, aber heftig. Vor dem Sofa befindet sich das kulturelle Werkzeug der Vergangenheit, das Fernsehgerät als Empfangsstation für die Botschaften aus den Sendezentralen. Dort wird unsere Realität definiert, und von dort aus verkauft man uns an die Werbeindustrie. Der Rundfunk habe nur eine Seite, wo er zwei haben müßte, bemängelte schon Bertolt Brecht.

Doch auf dem Schreibtisch lauert bereits die Konkurrenz. Spätestens seit man ihn in globale Netzwerke einstöpseln kann, ist der PC zum universalen Kommunikationswerkzeug geworden. Brecht hätte seine Freude daran gehabt. Die Netze stellen gegenüber den klassischen Massenmedien insofern einen Quantensprung dar, als sie neben der basisdemokratischen Zwei-Wege-Kommunikation die Integration vieler Medien möglich machen. Die Autoren elektronischer Magazine gehen bereits dazu über, Texte mit Bildern und Videos zu ergänzen und, was vermutlich wichtiger ist, mit Querverweisen zu anderen Texten, Videos oder O-Tönen zum selben Thema zu versehen. Für Aaron Koenig vom MME Medienlabor bietet das Netz die Möglichkeit, unabhängiges Fernsehen zu produzieren, wenn man diese neue Form überhaupt noch als Fernsehen bezeichnen kann.

Wie das Gesicht der neuen Medien in Otto Normalverbrauchers Welt aussehen wird, hängt am Ende davon ab, welches Konzept sich im Kampf der Telekommunikationsgiganten, Medienkonzerne, Online-Dienste, Hard- und Softwarehersteller durchsetzen wird: Durch einen schmalen Rückkanal zum „interaktiven“ Medium transformiertes Fernsehen (Drücken Sie jetzt auf die Kaufen-Taste!) oder ein durch TV-Angebote erweitertes Netz mit dem Computer als Endgerät.

Für Alexander Gäfe vom Multiversum Media Lab ist dieser Unterschied lediglich ein theoretischer. Multiversums Benutzeroberfläche ist mit allen Set-Top-Boxen, die im Showdown der Kartelle derzeit zur Debatte stehen, kompatibel. Auch er betont die Diversifizierung, die sein „Auswahlfernsehen“, einen Begriff, den er gegenüber dem allzu verheißungsvollen „interaktiv“ bevorzugt, nach sich ziehen wird. Nischen, die für herkömmliche Medien zu klein, weil ökonomisch untragbar sind, seien hiermit erstmals zu bedienen.

Und schließlich sei mit dem Fernsehen von morgen auch Netsurfing kein Problem. Ob man ihm das alles auch glauben würde, wäre er ein Vertreter von Bertelsmann, fragt da der Moderator. Niemand antwortet, aber das ist bei rhetorischen Fragen wohl so. Ulrich Gutmair