Tomba zerquetschte eine Träne

■ Pernilla Wiberg und Alberto Tomba gewannen im Slalom die letzten Goldmedaillen einer umstrittenen und langwierigen Ski-Weltmeisterschaft

Berlin (taz/dpa) – Sichtlich erleichtert war Gian-Franco Kasper, Generalsekretär des Internationalen Skiverbandes (FIS), daß die alpinen Weltmeisterschaften in der Sierra Nevada nach all den Jahren doch noch einigermaßen über die Bühne und vor allem die Fernsehschirme gebracht werden konnten. „Es waren wunderschöne Spiele“, schwärmte der Funktionär. Solchen Zuspruch können die Spanier gebrauchen. 1991 hatten sie sich gegen Mitbewerber wie Garmisch oder Laax durchgesetzt, mit großen Investitionen das andalusische Skigebiet aufgerüstet und dann im letzten Jahr vergeblich auf Schnee gewartet. Mit einjähriger Verspätung konnte die Veranstaltung nun stattfinden, und wie immer, wenn ein solches Ereignis abseits der klassischen Wintersportgebiete durchgeführt wird, war das Gezeter groß – vorzugsweise in den klassischen Wintersportgebieten.

Kritisiert wurden vor allem Pistenpräparation, Organisationschaos und zu leichte Abfahrten, obwohl dort durchaus diejenigen vorn waren, die auch sonst immer vorn sind. Neben den Österreichern tat sich besonders die deutsche Delegation mit Häme hervor. „Die Verantwortlichen für diese WM sollte man mit dem Tretboot von Malaga aus in die Wüste schicken“, schlug der Rennläufer Stefan Krauss vor, und Frauen-Cheftrainer Rainer Mutschler bemerkte angesichts des vereisten Slalomhangs: „Hätten wir besser die Gunda Niemann einfliegen lassen.“

Hinter soviel Negativität steckt natürlich ein gehöriger Frust. Vor allem das deutsche Frauenteam, das den Weltcup bis zur WM mehr oder weniger beherrscht hatte, erreichte in Spanien viel weniger als erhofft: Silber in der Abfahrt für Katja Seizinger, Bronze im Riesenslalom für Martina Ertl, die im abschließenden Slalom ausschied. Im DSV-Team war die Hauptdevise danach: Nichts wie weg! Jetzt könne sie schneller heimreisen, sagte Ertl nach ihrem vorzeitigen Slalom-Aus, und Hilde Gerg meinte: „Wir sind ein bißchen müde, jetzt sind wir über zwei Wochen hier.“

Dieser Verdruß unterscheidet die deutschen Läuferinnen möglicherweise von einer Kollegin wie Pernilla Wiberg, die mit Titeln in Kombination und Slalom erfolgreichste Läuferin der WM wurde. Die Schwedin blüht gerade bei Großveranstaltungen auf: „Ich mag die Atmosphäre, alle Skifahrer sind an einem Ort.“ Unermüdlich versprüht die 25jährige „Pilla“ gute Laune, stets bemüht, „die Dinge positiv zu sehen“.

Diese Vorliebe teilt sie mit Alberto Tomba, der wenig Mühe hatte, die WM in der zweiten Woche zum Tomba-Festival umzufunktionieren. Kaum war er eingetroffen, drehte sich fast alles nur noch um ihn, und als es ihm im Riesenslalom noch gelang, sein erstes Weltmeisterschafts-Gold überhaupt einzufahren, war die Show auch sportlich perfekt.

Gestern krönte Tomba die ganze Veranstaltung mit seinem zweiten Sieg – und das in der ihm ureigenen Manier. Wie üblich verschlief er im Slalom den ersten Lauf und lag nur auf Rang sechs. Vor dem zweiten Durchgang bewegte er sich locker lächelnd im Strafraum und posierte frohgelaunt mit Fans für Fotografen, dann legte er einen wüsten Lauf mit imposanter Bestzeit hin. Anschließend konnte er gelassen zuschauen, wie die folgenden Fahrer einer nach dem anderen hinter ihn zurückfielen. Erst als das Ausscheiden des nach dem ersten Durchgang führenden Norwegers Finn-Christian Jagge die Goldmedaille perfekt machte, sank Tomba beglückt in den Schnee, und die Spannung löste sich mit einigen verschämt hinter der Sonnenbrille zerquetschten Tränen.

Ungewiß ist, ob der 29jährige Italiener bei den nächsten Weltmeisterschaften noch dabeisein wird, gewiß ist, daß sie wieder in vertrauteren Ski-Gefilden stattfinden: bereits nächstes Jahr in Sestriere, 1999 dann in Vail/Colorado, und für die Titelkämpfe des Jahres 2001 fällt die Entscheidung im Mai zwischen Bormio, St. Moritz, Lillehammer und St. Anton. Zu meckern wird es auch dann reichlich geben – besonders für das DSV-Team. „Die Deutschen sind so verbissen“, hat Abfahrtssiegerin Picabo Street aus den USA festgestellt, „das tut mir leid.“ Matti Lieske