■ Wer interessiert sich schon für den Pächter des BE?
: Heimsuchung des Kulturbetriebs

Ein Mann wollte nach oben, ein Mann hat es scheinbar geschafft. Mehrere Jahre lang hat der Dokumentarist und Rechercheur Tunnel durchs Erdreich der Berliner Theaterlandschaft gegraben und nun eine Öffnung gefunden, die ihm wohl keiner mehr versperren kann. Aller Voraussicht nach werden Grundstück und Haupthaus des Berliner Ensembles vom Berliner Landesamt für offene Vermögensfragen in dieser Woche Rolf Hochhuths Ilse-Holzapfel-Stiftung übertragen.

Vor fünf Jahren noch galt Rolf Hochhuth, der Autor von „Der Stellvertreter“ (1963), als bedeutende theatergeschichtliche Figur. Mit enormer Energie hat er sich mittlerweile wieder ins Gespräch gebracht. Nach wie vor nährt sich seine Fama vom Skandal. Doch statt das Skandalöse zu enthüllen, entfacht er es nun selbst. Sein mäßiges Stück „Wessis in Weimar“ (1993) machte er dadurch interessant, daß er sich laut kreischend von Einar Schleefs Inszenierung distanzierte, und weil ihn trotz mannigfacher Vorstöße in Berlin niemand an einer Theaterleitung beteiligen wollte, organisierte er sich jetzt als Theaterbesitzer.

„Ich will doch nur, daß ihr mich liebt“, sagt alles, was dieser Mann tut, und so ist zu befürchten, daß er selbst gar nicht glücklich sein wird in seiner neuen Rolle. Wer wird sich in Zukunft schon für einen Verpächter interessieren? Als Hausautor kann er ernsthaft nicht in Frage kommen, wenngleich BE-Intendant Martin Wuttke höflich genug ist, ihm sein theaterhistorisches Verdienst nicht abzusprechen. Um also wieder in eine spektakuläre Ohnmachtsposition zu gelangen, wird Hochhuth weiterkämpfen müssen. Er wird aufrechte Stücke voller Fußnoten schreiben müssen, die der Chefdramaturg Carl Hegemann guten Gewissens kaum wird annehmen können.

Es ist eine tragische Geschichte. Ein Mann, der nach der zu Recht kurzen Blüte des Dokumentartheaters bereits vor dreißig Jahren Fernsehjournalist hätte werden sollen, hängt im Netz seiner Liebe zur Bühne fest. Nichts wird ihn befriedigen, als ein Sitz im Olymp zeitgenössischer Dramatiker. Den aber verspielt er, je mehr er mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln darum kämpft.

Nicht als junger Entdeckungsdramatiker wird er im Gedächtnis bleiben, sondern als dramatischer Wiedergänger, notorischer Selbstdarsteller und als Heimsuchung des Kulturbetriebs der 90er Jahre. Petra Kohse