Mehr Zukunft für die Fische

Der Lebensmittelmulti Unilever und der WWF wollen Kriterien für nachhaltige Fischwirtschaft festlegen. Künftig Logo für ökologischen Frostfisch. Greenpeace sympathisiert  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) – Fischstäbchen ökologisch, geht denn das? Die Umweltstiftung World Wide Fund for Nature (WWF) und der Nahrungsmittelkonzern Unilever wollen es möglich machen. Bis 1998 sollen internationale Öko-Standards für die Fischereiwirtschaft und ein unabhängiger Marine Stewardship Council (MSC, Rat zur Bewahrung der Meere) geschaffen werden, heißt es in einer jetzt verabschiedeten gemeinsamen Erklärung. Der Council könnte dann für Fischereibetriebe, die sich an die Standards halten, ein Logo vergeben, das den angebotenen Fisch als umweltfreundlich gefangen ausweist. Unilevers erklärtes Ziel: Iglo-Fischstäbchen mit Öko-Logo.

Die Idee entstand in den USA. „Wir haben mit Fischereiwissenschaftlern und Meeresbiologen über die Rettung der internationalen Fischbestände diskutiert“, erklärt Michael Sutton von WWF. Rund 30 Millionen Tonnen Fisch würden jährlich halbtot oder tot wieder ins Meer geworfen, weil die Trawlerflotten unterschiedlos alles in ihren Netzen fingen, was in ihrer Umgebung schwimmt. „Die Wissenschaftler haben uns gesagt, daß Unilever mit den gleichen Fragen auf sie zugekommen sei. Wir sollen doch miteinander reden.“

Gesagt, getan. In monatelangen Verhandlungen hinter den Kulissen entstand die Idee für den MSC. Vorbild ist der Forest Stewardship Council, den der WWF gemeinsam mit Holzkonzernen zur Rettung der Regenwälder ins Leben gerufen hat. Der „Kahlschlag in der Tiefe“ hat ähnliche Ausmaße erreicht. 13 der 17 wichtigsten Fischgründe weltweit sind heute schon überfischt.

„Wir haben genau wie die Umweltschützer erfahren müssen, daß Fischbestände schnell zusammenbrechen können“, beschreibt Caroline Whitfield von Unilever die Motivation des beteiligten Konzerns. „Wenn wir nichts tun, können wir alle nur verlieren.“ Die 31jährige ist für die Modernisierung des florierenden Fischgeschäfts bei Unilever verantwortlich. „Wir haben keine eigene Flotte, aber wir kaufen jedes Jahr 100.000 Tonnen Frischfisch für unsere Produktion. Der Marktanteil der Frostwaren liegt in Europa und Nordamerika bei rund 20 Prozent und der Umsatz bei 600 Millionen Pfund (1,35 Milliarden Mark).“

Mit eben diesem Marktanteil will die gebürtige Kanadierin wuchern. Wenn große Verarbeitungsbetriebe wie die Unilever-Töchter Langnese-Iglo, Nordsee und der Handel Veränderungen wollten, könne das manchmal sehr schnell gehen. „In zwei Jahren können wir den Markt umkrempeln“, ist sie zuversichtlich. „Und bis zum Jahr 2005 will mein Konzern nur noch nachhaltig gefangenen Fisch anbieten.“

Die ersten Anzeichen sind offenbar ermutigend. Die Konkurrenten im eigenen Verband hätten positiv reagiert und auch Verbraucherschützer seien aufgeschlossen, berichten Whitfield und Sutton. Einen Probelauf habe man auch schon absolviert. Innerhalb eines Jahres sei es gelungen, im Thunfischmarkt Standards für umweltfreundlichere Fischerei durchzusetzen und so das Leben Tausender Delphine zu retten, die sich bis dahin in den Thunfischnetzen verfangen hatten. „Die Konsumenten wollen eine Chance, sich an solchen Prozessen zu beteiligen. Staatliche Standards sind in Ordnung, aber der Markt ist hier viel schneller und wirkungsvoller“, meint Whitfield.

Schnelles Handeln ist auch notwendig. Jahrelang habe man in der Industrie vor allem auf die geringeren Fänge geschaut, gesteht die Managerin. „Aber wenn man auf die geringe Zahl der Fische schaut, die im Wasser zurückbleiben, ist alles noch viel schlimmer.“ In den Standardfischnetzen für Kabeljau fängt sich alles von der Krabbe bis zum Wal, wird aber in den Fangstatistiken nicht erfaßt. Auf staatlichen Stellen zu setzen, scheint Umweltverbänden und Unternehmen zunehmend müßig. Anfang 1995 hatten Wissenschaftler der EU zum Beispiel empfohlen, ihre Fischfangquoten um 40 Prozent zurückzufahren: Die EU beschloß eine Verringerung um magere fünf Prozent.

Weniger Fisch auf dem Tisch ist für den WWF dabei gar nicht das eigentliche Ziel. „Es geht darum, einfach sauberer zu fischen, weniger Fische unnütz im Netz zappeln zu lassen und die Probleme der aufkommenden Fischfarmen zu minimieren“, erklärt Sutton. In der Nordsee kommen auf einen Kilo Fisch, der angelandet wird, vier Kilo, die wieder über Bord gehen. „Es geht darum, endlich den Markt für den Umweltschutz zum Tragen zu bringen.“

Sutton und Whitfiled räumen ein, daß schwierige Gespräche noch bevor stehen, ehe Standards etabliert werden können. Knifflig dürfte vor allem die Einbeziehung möglichst vieler Fischereibetriebe und die Kontrolle der neuen Standards werden. „Ohne ein gutes, modernes Kontrollsystem wird das nicht funktionieren“, sagt Whitfield.

Greenpeace betrachtet die neue Allianz der Kollegen vom WWF mit dem Multi Unilever mit Sympathie. „Das ist im Prinzip keine schlechte Idee“, sagte Stefan Flothmann von der Greenpeace Meereskampagne gegenüber der taz. Allerdings möchten die Greenpeacler am Ende klare Standards festgeschrieben sehen: „Die Fischereikapazitäten müssen drastisch reduziert werden“, heißt es in einem Memorandum der Ökologen. Die Regierungen müßten aufhören, die großen Fernflotten zu subventionieren. Und die Einschränkungen müßten schon jetzt beginnen – nicht erst 1998.