Mit einem klaren Jein zur Fusion

Weil sie keine klare Haltung zur Länderfusion mit Brandenburg haben, beschließen die Berliner Bündnisgrünen, zur Volksabstimmung am 5. Mai keine Empfehlung zu geben  ■ Aus Berlin Severin Weiland

Am Ende der vierstündigen Debatte stand die grüne Welt auf dem Kopf. „Was“, fragte der bündnisgrüne Verkehrsexperte und Fusionsbefürworter Michael Cramer seinen Fraktionskollegen Bernd Köppl, „sollen wir jetzt machen?“

Knapp zehn Wochen vor der Volksabstimmung rücken die Berliner Bündnisgrünen von ihrem früheren Ja zu einem gemeinsamen Land mit Brandenburg ab. Hatte noch das Wahlprogramm ein Bekenntnis zum Länderprojekt enthalten, so konnte sich die Landesdelegiertenkonferenz am Samstag auf keinen gemeinsamen Standpunkt einigen. Zum Schluß schlug die Partei einen Kurs ein, vor dem der Fraktionsvorsitzende Wolfgang Wieland noch in böser Vorahnung gewarnt hatte: „Larifari!“ Nun sollen Fraktion und Landesverband, so der verabschiedete Leitantrag, vor dem 5. Mai keine Empfehlung mehr abgegeben und Pro- und Contra-Argumente „gleichberechtigt“ unter das Volk bringen.

Symptomatisch für die Unentschlossenheit war das Abstimmungsverhalten. Sämtliche Anträge, sowohl der Gegner als auch der Befürworter, fielen durch. Die höchste Zahl an Gegenstimmen aber, nämlich 54, entfiel allerdings auf das Papier der Fusionsbefürworter. Nur 52 sprachen sich dafür aus, 4 enthielten sich. Noch im Sommer letzten Jahres hatten im Parlament 17 grüne Abgeordnete der damals 21köpfigen Fraktion für den Staatsvertrag gestimmt und damit zusammen mit CDU, SPD und FDP für die notwendige Zweidrittelmehrheit gesorgt.

Die überraschende Kurskorrektur vom Wochenende ist nicht zuletzt ein Ergebnis der in den letzten Wochen offenbar gewordenen Berliner Finanzmisere. Immer wieder verwiesen die Gegner auf die kürzlich nach oben hin korrigierten Zahlen über das Milliardendefizit im Landeshaushalt, das mit 32 Milliarden Mark bis 1999 nun 9 Milliarden Mark höher ausfällt als noch vor einen halben Jahr. Angesichts dieser Zahlen nannte es Vorstandsmitglied Christian Ströbele „unverantwortbar, den Bürgern ein Ja zu empfehlen“. Auch Ängste vor einem Verlust bündnisgrünen Einflusses in den Bezirken schwangen in manchen Reden mit. Die Abgeordnete Judith Demba, die im Parlament gegen den Staatsvertrag votiert hatte, befürchtet eine Umwandlung der Bezirke zu machtlosen „Verwaltungsdistrikten“. Die Befürworter verwiesen darauf, daß im Falle einer Ablehnung die Regierungen beider Länder mit „40 bis 100 Staatsverträgen“ in Hinterzimmern die künftigen Rahmenbedingungen aushandeln würden. Dem Vorwurf der Gegner, die Fusion ähnele dem Zustandekommen der deutschen Einheit, widersprach die Abgeordnete Renate Künast. Diesmal handele es sich nicht um einen „Beitritt“, sondern um den Zusammenschluß zweier gleichberechtigter Länder.

Mit ihrer Entscheidung vom Wochenende liegen die Bündnisgrünen im Trend. In allen Umfragen der letzten Wochen sank die Zahl der Fusionsbefürworter kontinuierlich. Für die Befürworter des Projekts wird es ein schwerer Weg. Die Rückwirkungen ins grüne Mileu, das in den Umfragen bislang am deutlichsten die Fusion bejahte, sind nicht zu unterschätzen. Schließlich ist das Quorum hoch: Eine Fusionsmehrheit gilt nur dann, wenn wiederum mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten jedes Landes mit Ja gestimmt haben.

Zufrieden durfte am Samstag abend der Vorstandssprecher der brandenburgischen Bündnisgrünen, Roland Resch, nach Hause fahren. Dessen Landesverband hatte sich bereits Ende letzten Jahres gegen die Fusion ausgesprochen.

Der Berliner Abgeordnete Michael Cramer konnte dem Beschluß des Landesparteitages noch eine ironische Note abgewinnen. Wie auch immer sich die Bevölkerung am 5. Mai entscheide, „wir werden auf jeden Fall die Sieger sein“.