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Ohne Ehe gibt es keinen Aufenthalt

■ Vor dem Bundesverwaltungsgericht klagt ein binationales Schwulenpaar gegen ein diskriminierendes Ausländerrecht

Berlin (taz) – Wenn der 38jährige Leipziger Markus Kaufmann* morgens zum Briefkasten geht, ist er angespannt. Jeden Tag könnte der Ausweisungsbescheid für seinen Freund in der Post sein – das schwule Paar würde auseinandergerissen. Auch das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat die Klage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den 28jährigen Russen abgelehnt. Jetzt richten sich die Hoffnungen der beiden auf einen Musterprozeß, der am Dienstag vor dem Bundesverwaltungsgericht in Berlin verhandelt werden wird.

Nach der bisherigen Auslegung des Ausländerrechts ist es für homosexuelle binationale Paare äußerst schwierig, eine Aufenthaltserlaubnis für den ausländischen Partner zu bekommen. 95 Prozent der Betroffenen wählen deshalb eine Scheinehe. Denn der Gang durch die Instanzen kann sich über Jahre hinziehen.

Ein thailändisch-deutsches Schwulenpaar ist das erste, das nach vierjährigem Gang durch die unteren Instanzen vor dem Bundesverwaltungsgericht angelangt ist. Auf dem Prüfstand der Bundesrichter steht die Auffassung des Berliner Oberverwaltungsgerichtes. Danach bietet das Ausländerrecht gar keinen Ermessensspielraum, aufgrund einer eheähnlichen, gleichgeschlechtlichen Beziehung eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

In ihrem Urteil vom Oktober 1993 argumentieren die Richter, daß das Ausländergesetz einen Nachzug nur für Ehegatten vorsehe. Der Rechtsanwalt des Paares, Dirk Siegfried, hatte dagegengehalten, daß dies wegen des Gleichheitsgrundsatzes auch für homosexuelle Paare gelten müsse. Denn an einer Heirat hindere sie lediglich das Eheverbot für Lesben und Schwule.

Die Klage wurde abgewiesen, das Paar auseinandergerissen. Das OVG hielt es für „hinnehmbar“, die Beziehung durch Besuche des Deutschen in Thailand aufrechtzuerhalten. Dem schloß sich das Bundesverfassungsgericht an.

Im Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wird auch die mögliche Befangenheit eines Beamten der Berliner Senatsverwaltung für Inneres eine Rolle spielen. In einem Telefongespräch soll der Regierungsdirektor Wilhelm Spatz gegenüber Anwalt Siegfried ein Aufenthaltsrecht für Homosexuelle sinngemäß mit den Worten abgelehnt haben: „Wo kämen wir denn da hin? Da wäre ja die halbe Türkei hier und würde behaupten, sie sei homosexuell, und sobald sie das Aufenthaltsrecht haben, sind sie wieder heterosexuell.“ Die Senatsverwaltung für Inneres bestritt damals diese Darstellung des Gesprächs.

Wegen der Befangenheit des Beamten sei die Verweigerung der Aufenthaltserlaubnis rechtswidrig, argumentiert der Anwalt. Das OVG befand, die Befangenheit des Beamten sei irrelevant, weil dieser ohnehin keinen Ermessensspielraum gehabt habe.

Rechtsanwalt Siegfried sind bundesweit allein acht Fälle bekannt, in denen schwule und lesbische binationale Paare den Klageweg beschritten haben. „Das ist nur die Spitze des Eisbergs“, so Siegfried. Bislang gibt es nur ein Urteil, das zugunsten eines schwulen Paares ausging. Im Falle eines deutsch-kolumbianischen Studentenpaares aus Frankfurt (Oder) zog die Vertreterin der Ausländerbehörde während der Gerichtsverhandlung ihren ablehnenden Bescheid zurück. Die Richterin hatte eine fehlende Ermessensentscheidung gerügt und dabei auch auf die Brandenburger Verfassung verwiesen. Diese erkennt die Schutzbedürftigkeit auf Dauer angelegter, gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften an. Die Freude des Paares währte allerdings nicht lange. Auch im zweiten Anlauf verweigerte die Ausländerbehörde eine Aufenthaltserlaubnis, wenn auch mit einer etwas anderen Begründung. Die beiden haben Berufung eingelegt, doch die seit drei Jahren währende Unsicherheit zerrt an ihren Nerven. Außer durch Unsicherheit werden die Beziehungen auch durch die finanzielle Abhängigkeit des ausländischen Partners belastet, der keine Arbeitserlaubnis erhält.

Auch Markus Kaufmann muß für seinen Freund aufkommen. Dabei hatten die beiden noch Glück. Denn eigentlich hätte Sergej, der zunächst einen Asylantrag gestellt hatte, in einem Asylbewerberheim in Reichenbach (Vogtland) wohnen müssen. Die Ausländerbehörde erlaubte ihm, zu seinem Freund nach Leizpig zu ziehen. In Rußland war Sergej wegen seiner Homosexualität in die Psychiatrie zwangseingewiesen worden. Um eine Ausweisung abzuwenden, hat das Paar jetzt eine Petition beim Sächsischen Landtag eingereicht.

Statt der Erlangung des Aufenthaltsrechts auf dem Gnadenweg fordert die bundesweite Interessenvertretung „Schwul-lesbische Internationale“ seit langem ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für ausländische Partner binationaler Partnerschaften. Doch mangels gesetzlicher Regelung bleibt derzeit nur die Hoffnung auf die Gerichte. Dorothee Winden

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