Die Verlierer des Winters

■ Wenn das Eis taut, stinken die toten Weißfische in den Wallanlagen

Wer die warmen Frühlingsstrahlen auf Parkbänken genießen möchte, sollte dies in den nächsten Wochen in den Wallanlagen nicht ohne Nasenklammer tun. Denn wenn dort das dicke Eis auf dem Stadtgraben vollständig aufgetaut ist, werden sich die Verlierer des strengen Winters zeigen: etliche Weißfische, die kieloben auf dem Wasser schwimmen. Und Stadtgrün wird sich beeilen müssen, die Fischleichen abzufischen, damit nicht bald die ganze Bremer Innenstadt stinkt.

„Todesursache: Sauerstoffmangel“, diagnostiziert der Biologe Joachim Scheffel von der Uni Bremen. „Eigentlich haben die Fische in den Wallanlagen selbst bei langen Eisperioden eine relative Überlebenschance, denn 1,50 Meter frieren nicht so leicht durch.“ In dem morastigen stehenden Gewässer kommt es aber immer wieder zu Sauerstoffmangel. Schuld daran ist der Schlamm im Graben. Laub, abgestorbene Pflanzen und Tiere, aber auch Brotbrocken vom Entenfüttern faulen unter der geschlossenen Eisdecke oder bei hohen Temperaturen im Sommer und nehmen den Fischen den Sauerstoff. Massenhaftes Fischsterben ist dann in regelmäßigen Abständen die Folge.

Kein Grund zur Aufregung, findet Scheffel. „Innerhalb von ein bis zwei Jahren ist die Fischpopulation wieder auf dem alten Stand.“ Vor allem die karpfenartigen Weißfische seien sehr variabel und in nahezu allen Gewässern zu finden. Deshalb werden sie auch als „Tauben unter den Fischen“ bezeichnet. Und gerade in nährstoffreichen Gewässern wie den Wallanlagen vermehren sie sich sehr stark. Wenn der Sauerstoff durch Überpopulation knapp wird, reduziert sich die Zahl der Weißfische wieder.

Ist das periodische Fischsterben also ein natürlicher Vorgang? „Auch der Mensch trägt eine Schuld daran, denn er müßte solche künstlichen Gewässer besser pflegen, regelmäßig entschlammen und Frischwasser zuführen“, fordert Joachim Scheffel. Dieter Heuer von Stadtgrün pflichtet dem Biologen bei, aber: „Zum Ausbaggern fehlt das Geld, und auch für die Uferpflege stehen immer weniger Mitarbeiter zur Verfügung.“

So wird sich die Lage für die Weißfische und die SpaziergängerInnen in den Wallanlagen in den nächsten Jahren nicht bessern. Und Stadtgrün bleibt nicht viel anderes übrig, als einmal mehr gemeinsam mit dem Bremer Sportfischerverein die hunderte von toten Fischen per Hand und Kescher einzusammeln und mit den verhungerten Enten zusammen zur Tierkadaververbrennungzu bringen.

Einige Enten hatten am Winteranfang mehr Glück: Als sie wegen ihrer Fettleibigkeit in das noch dünne Eis einbrachen und festzufrieren drohten, wurden sie von der Feuerwehr gerettet und an sichereren Orten ausgesetzt.

bik bik