Uerdingen rettet Otto

Trotz eines gedopten Lothar Matthäus gewinnt Bayern München 6:1 in Uerdingen  ■ Aus Krefeld Bernd Müllender

Eins zu sechs, Tabellenletzter gegen Titelfavorit, das klingt nach Klassenunterschied, wie eine Selbstverständlichkeit, wie eine Demütigung. Was es letztlich auch war. Nur das Zustandekommen ist eine andere Geschichte.

„Totgelacht“ hätten sich die Bayern, meinte hinterher Krefelds emsiger Mittelstürmer Erik Meijer. Totgelacht über so viele Lücken, Pannen, Fehler und defensive Dummheiten im Mittelfeld des KFC Uerdingen. In der Tat: Die anfangs nervösen Bayern spielten zunächst gar nicht so souverän. Aber die Gastgeber, personell und spieltaktisch von Trainer Friedhelm Funkel fahrlässig offensiv ausgerichtet, verteilten Geschenke gleich reihenweise: durch Abspielfehler im Mittelfeld, mangelnde Deckungstreue, tollkühne Offenheit und lebensgefährliche (Rummenigge) Unachtsamkeiten.

Beste Chancen vergaben lange beide Teams. Entschieden wurde das Match erst durch zwei kuriose Bayern-Treffer zum 0:2 und 0:3, bei denen der Ball auf sehr absurde Weise kullernd den Weg seiner Bestimmung fand. Danach wurden die resignierten Krefelder vorgeführt, durch Münchens Ballstafetten im Stakkatostil, durch Zicklers sensationelle Soli in atemberaubenden Tempi und durch drei weitere Treffer der Extraklasse.

Selbst ein L. Matthäus durfte, nachdem sein akuter Beckenschiefstand auf Müller-Wohlfahrts Streckbank gerichtet worden war, erstmals nach seinem Comeback neunzig Minuten durchspielen. Souverän vermied er Luftlöcher wie gegen den KSC, auch wenn ihn die Uerdinger anfangs auffällig oft hoch anspielten, und meinte hinterher, Dortmunds Niederlage gegen Rostock am Samstag sei schon „a gewisses Doping“ gewesen. Nur mit einem veritablen Drogenrausch ist auch L. Matthäus' Versuch zu werten, per Handspiel auf der Torlinie Meijers Ehrentreffer zu verhindern. Wäre es gelungen, hätte ihn der Schiedsrichter vom Platz stellen müssen (Sperre nächste Woche gegen 1860). Was hätten wir gelacht, bei Spielstand 0:5.

Coach Otto Rehhagel, unter der Woche von Münchens Medien sturmreif geschrieben, ist also vom KFC Uerdingen gerettet und nicht weiter demontiert worden. Der erste Bayern-Erfolg 1996, und schon leuchteten seine blauen Äuglein wieder, und er sprach über seine Jungs: „Sie haben vorher zweimal verloren, heute haben wir nachgesetzt.“ Die Bayern sind punktgleich wieder ganz oben.

Und auch der KFC kann, jedenfalls nach Erik Meijers Philosophie, zufrieden sein. Der Niederländer hatte kürzlich, nach viel Lob für sein Team, vorgeschlagen, „lieber mal schlecht“ zu spielen, dann seien „die Niederlagen nicht so frustrierend“. Das Vorhaben ist eindrucksvoll gelungen.

Bayern München: Kahn - Matthäus - Babbel, Helmer (76. Kreuzer) - Strunz, Nerlinger, Sforza, Scholl, Ziege - Klinsmann, Zickler

Zuschauer: 32.500; Tore: 0:1 Helmer (19.), 0:2 Strunz (52.), 0:3 Klinsmann (56.), 0:4 Zickler (61.), 0:5 Scholl (85.), 1:5 Meijer (86.) 1:6 Strunz (88.)

KFC Uerdingen: Dreher - Peschke - Paßlack, Rahner - Lusch, Bittengel, Wedau (66. Dogan), Steffen, Heintze - Lesniak (82. Laessig), Meijer