Aufregung wegen staatstragenden Hochverrats

■ Österreichs Innenminister Einem (SPÖ) will Militärdienst und Bundesheer abschaffen. Die Polizei soll in Zukunft die Grenzen des Alpenstaates schützen

Österreichs Staats- und Verfassungsfeind Nummer eins ist nicht mehr ein unbekannter Briefbombenbastler, sondern Innenminister Caspar Einem (SPÖ). Zumindest Kabinettskollege Werner Fasslabend (Verteidigung) von der Volkspartei (ÖVP) hat Einem als solchen bezeichnet. Das Massenblatt Kronenzeitung titelte: „Schafft endlich diesen Einem ab“.

Der Grund für den Aufruhr ist staatstragend. Der Innenminister hat öffentlich darüber nachgedacht, daß die Wehrpflicht nach dem Ende des Kalten Krieges überflüssig sei. Auch brauche man das österreichische Bundesheer in der bisherigen Form nicht mehr. An den Grenzen will der ehemalige Sozialarbeiter nur noch Polizei „mit etwas schwererem Gerät“ postieren. Der Verteidigungshaushalt von jährlich umgerechnet drei Milliarden Mark sei angesichts friedlicher Anrainerstaaten viel zu hoch, so der „Minister für innere Werte“ (Einem über Einem).

Für internationale Einsätze wie in Bosnien fordert er professionelle Freiwilligenverbände. Gipfel der staatsgefährdenden Gedankenspiele für das katholische Österreich: Wenn es nach dem Innenminister ginge, würde eine Berufsarmee auch Frauen geöffnet. Kein Wunder, wenn man im Offizierskorps um die Existenz bangt.

Daß so mancher Punkt in internen Papieren der Militärs zum Thema Wehrpflicht gar nicht so weit entfernt ist von Einems Gedanken, sagt von den Kommentatoren keiner laut. Wenn die Sicherheit der geliebten Heimat gefährdet scheint, hat jeder Interessenverband einen hysterischen Aufschrei gut. 34.000 Rekruten müssen in Österreich jedes Jahr zum Bundesheer, 6.000 wählen nach Angaben des Verteidigungsministeriums den zwölfmonatigen Zivildienst. Für leichte Krisenfälle ständig einsatzbereit sind überschaubare 10.000 „Burschen“, wie die wehrpflichtigen jungen Männer in Österreich heißen.

„Sire, geben Sie Gedankenfreiheit.“ Verzweifelt ruft Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) zu Gerechtigkeit gegenüber seinem Parteifreund auf, dessen Ansichten auch in der SPÖ keinen Befürworter finden. Mitten in den harten Koalitionsverhandlungen mit dem ungeliebten Partner ÖVP kann man derartige Angriffsflächen nicht gebrauchen. Der Rest der Republik mit Ausnahme der Grünen tobt ohnehin ob solchen Hochverrats. Hohe Offiziere des Alpenheeres sinnieren schon öffentlich über die Einhaltung ihres Treueeids. Und aus dem Verteidigungsministerium heißen die Überlegungen schlicht „windige Gedankenspiele, politische Luftballons ohne Realitätsbezug“.

Da wollen die Christdemokraten schon lieber die „immerwährende Neutralität“ Österreichs schnell aufgeben und der Nato beitreten, bevor auch noch das letzte der insgesamt 24 Kampfflugzeuge und der letzte von immerhin 169 Kampfpanzern der Alpenarmee dem Sparhaushalt zum Opfer fallen. Lediglich die Wehrpflichtigen scheinen das anders zu sehen. Das Nachrichtenmagazin Profil hörte in einer Umfrage von keinem der sogenannten „Präsenzdiener“ Lobesworte über ihre acht Monate Wehrdienst. „Im Ernstfall am besten verkrümeln“, lautet die Devise. Daniel Asche, Wien