Poltergeist aus katholischem Hause

Pat Buchanan feiert Erfolge bei den Vorwahlen der US-Republikaner. Der rechte Moderator steht der „konservativen Revolution“ seiner Parteivorderen diametral entgegen  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Er hat nicht nur seine Partei in Panik versetzt, sondern auch Amerikas Komikern und Kolumnisten Stoff für neue Gags gegeben. „Pat Buchanan hat ein paar Ruhetage nach seinem Sieg in New Hampshire eingelegt“, verkündete Talkshow-Gastgeber David Letterman, „und wird als nächstes in Polen einmarschieren.“ Wen Buchanan denn als Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten benennen wolle, fragte Tony Kornheiser in der Washington Post, „Heinrich Himmler ist doch tot“.

Subtilität gilt US-amerikanischen Gag-Schreibern nicht unbedingt als Tugend, was man zweifellos auch von Pat Buchanan sagen kann. Wie schon 1992, als der Journalist im republikanischen Vorwahlkampf George Bush in Schwierigkeiten brachte, erinnert man sich auch jetzt wieder seiner antisemitischen Rhetorik. So hat Buchanan die Zahl jüdischen Holocaust-Opfer öffentlich bezweifelt, an Adolf Hitler imponiert ihm dessen ausgeprägte „Führungspersönlichkeit“, und gegen den Golfkrieg opponierte er seinerzeit mit der Begründung, die Bush-Administration mache sich zum Handlanger israelischer Interessen. Zu seinen Wahlkampfhelfern und Freunden zählen 1996 unter anderem der fundamentalistische Prediger Donald Wildmon, der sich bislang durch einen Kreuzzug gegen die „jüdische Dominanz“ in der Unterhaltungsindustrie ausgezeichnet hat; der ehemalige Kommentator der rechtsgerichteten Washington Times, Samuel Francis, der mehrfach für eine „weiße Rückeroberung der Vereinigten Staaten“ plädiert hatte; oder Larry Pratt, Kovorsitzender von Buchanans Wahlkampforganisation, der regelmäßig Vorträge für das rassistische „Christian Identity Movement“ gehalten hat. Pratt hat sich bis auf weiteres von der Wahlkampagne beurlauben lassen. Buchanan verteidigte ihn unlängst als „treuen Freund“ und „guten Christen“.

Nicht nur im Lager von Bob Dole forscht man nun nach den Wurzeln des 57jährigen, der mit seinem Isolationismus und seiner Aversion gegen „Big Business“ nicht nur einen der größten Interessenverbände innerhalb der Partei verstört, sondern mit seinem rechtsradikalen Gefolge mehr an die deutschen „Republikaner“ erinnert als an die US-amerikanischen.

Das Establishment, das Buchanan heute so vehement verdammt, ist ihm keineswegs fremd. Geboren und aufgewachsen ist er in der Hauptstadt Washington als eines von neun Kindern in einer wohlhabenden Familie, in der Katholizismus irischer Prägung ebenso dominierte wie die antikommunistischen Tischreden von Vater William, der den Kommunistenjäger Joseph McCarthy und den spanischen Diktator Francisco Franco verehrte. Väterliches Box-Training, verbunden mit der Regel, keiner Schlägerei aus dem Weg zu gehen, brachten dem Studenten Pat Buchanan fast einen Verweis von der jesuitischen Georgetown- Universität ein. Doch die Patres drückten ein Auge zu. Buchanan zog mit einem Cum-laude-Abschluß in Englisch und Philosophie an die Journalismus-Schule der Columbia University. Einen Namen verschaffte er sich in den sechziger Jahren als Kommentator des erzkonservativen Globe Democrat in St. Louis, in dem er für Barry Goldwater, gegen Lyndon B. Johnsons Programme zur Armutsbekämpfung und den drohenden Kommunismus anschrieb. Mit diesen Meriten fand Buchanan 1965 als Redenschreiber Aufnahme im Beraterteam von Richard Nixon. Nach seinem Wahlsieg nahm Nixon Buchanan mit ins Weiße Haus, wo letzterer schon damals jene Strategie entwickelte, die ihm jetzt Erfolge bringt: „Wir sollten uns auf enttäuschte Demokraten konzentrieren, auf Arbeiter und ihre ethnischen Gruppen.“ Wobei mit letzterem Iren, Italiener oder Polen gemeint waren, keine Mitbürger mit dunkleren Hauttönen. Nach Nixons Rücktritt fand Buchanan Arbeit und Erfolg in den zunehmend beliebteren Polit-Talkshows, in denen ein liberaler Kommentator und ein konservativer aufeinander losgingen, was, so die Zeitschrift Time, auch eine Form des Boxkampfes sei.

Ronald Reagan holte Buchanan in seiner zweiten Amtszeit wieder ins Weiße Haus. Dort setzte der sich vor allem für den Besuch Reagans auf dem Militärfriedhof in Bitburg ein und fegte Einwände bezüglich der Gräber von SS-Angehörigen beiseite. All das hielt den Fernsehsender CNN bislang nicht davon ab, Buchanan als Mitmoderator der Sendung „Crossfire“ zu beschäftigen, von der er sich nur zur Wahlkampfzeit zurückzieht.

In der ökonomischen Philosophie bedient sich Buchanan vor allem beim Protektionismus der Demokraten. Allerdings ging keiner von denen je so weit, alle japanischen Importe mit Zöllen in Höhe von 10 Prozent und alle chinesischen Importe mit Zöllen in Höhe von 40 Prozent belegen zu wollen oder den sofortigen Ausstieg aus Gatt oder Nafta zu fordern. Freihandel ist für Buchanan, der gern die 20er Jahre mit ihren Mauern gegen Waren und Immigranten wiederbeleben möchte, Teil einer „neuen Weltordnung“, die nicht nur den US-amerikanischen Arbeitern schade, sondern auch die Souveränität der USA „an eine Weltregierung“ delegiere.

Damit befindet er sich nun in diametralem Gegensatz zu Newt Gingrichs „Revolution“, die eine High-Tech-Ökonomie auf der Basis des Freihandels sieht, in die sich der Staat nicht einzumischen hat – auch nicht durch Zölle. Ein Cartoon zeigte Gingrich und Buchanan unlängst mit grimmigen Gesichtern und gezogenen Degen auf Schaukelpferden. „Was soll das?“ fragte Gingrich. „Ist das jetzt deine Revolution oder meine?“