SPD einig uneinig über die Aussiedlerpolitik

■ Rudolf Scharping will wie Oskar Lafontaine den Zuzug von Deutschen aus Osteuropa begrenzen. Juso-Vorsitzende Nahles nennt dies „politisch fragwürdig“

Bonn (taz) – SPD-Fraktionschef Rudolf Scharping unterstützt die Forderung des SPD-Chefs Lafontaine, den Zuzug von Aussiedlern und Ausländern nach Deutschland zu begrenzen. Bei den rund 200.000 Aussiedlern, die jährlich nach Deutschland kämen, handele es sich oft um „direkte Einwanderung in die Arbeitslosen- und Rentenversicherung“, sagte Scharping gestern. Deswegen müsse in der aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Lage der Zuzug verlangsamt werden.

Gleiches gelte für die Vergabe von Arbeitserlaubnissen an Ausländer, die nicht der Europäischen Union (EU) angehörten. Auch über das Entsendegesetz und einen Stopp illegaler Beschäftigung ließe sich Zuwanderung einschränken. Nach Meinung von Scharping sind für eine Zuzugsbeschränkung von Aussiedlern und Ausländern kein weiteren Gesetzesänderungen notwendig.

Dem widerspricht das Bundesinnenministerium. Danach kann das im Bundesvertriebenengesetz festgelegte Kontingent nur mit einer Gesetzesänderung verkleinert werden. Zwar sei die derzeit geltende Quote von 220.000 Aussiedlern, die jährlich nach Deutschland kommen dürften, nicht ausdrücklich festgeschrieben, doch ergebe sich die Kontingentierung aus dem Wortlaut des Gesetzes, hieß es.

Eine Sprecherin wies außerdem darauf hin, daß nach dem Kriegsfolgenbereinigungsgesetz Deutschstämmige, die nach dem ersten Januar 1993 geboren seien, keinen eigenen Anspruch mehr auf eine Einreise nach Deutschland hätten. Sie dürften nur noch im Rahmen des Familiennachzugs einwandern. In der SPD ist die Haltung der Parteispitze zur Zuwanderungsbegrenzung umstritten.

Die SPD-Innenpolitikerin Cornelie Sonntag-Wolgast warnte gegenüber der taz davor, „einzelne Zuwandergruppen gegeneinander auszuspielen“. Das Thema dürfe nicht im Wahlkampf debattiert werden, weil dann darüber nicht so differenziert gesprochen werden könne, wie es nötig sei.

Sonntag-Wolgast wies darauf hin, daß das festgelegte Kontingent von 220.000 jährlich nach Deutschland kommenden Aussiedlern noch unter alten Eingliederungsbedingungen beschlossen worden sei. Diese habe die Bundesregierung mittlerweile aber reduziert. So seien zum Beispiel Sprachkurse von neun auf sechs Monate verringert worden. Das erschwere die Integration der Menschen. Sollte die Bundesregierung nicht in der Lage sein, die Integration der Deutschstämmigen aus Osteuropa zu gewährleisten, müsse die Zahl der Neuankömmlinge in der Tat halbiert werden.

Juso-Vorsitzende Andrea Nahles nannte Lafontaines Äußerungen „unlauter“ und „politisch fragwürdig“. Sie sei dagegen, daß „soziale Gruppen gegeneinander ausgespielt würden“. Ähnlich äußerte sich die Sprecherin der bündnisgrünen Bundestagsfraktion, Kerstin Müller, und Parteisprecher Jürgen Trittin. Für die Ausländerbeauftragte Cornelia Schmalz-Jacobsen (FDP) sind die Äußerungen von Lafontaine „so etwas wie Ausländerhetze von links“. Eine Absenkung der Quote von 220.000 hält sie aber nicht für ausgeschlossen. Karin Nink