Sozis haben die Grünen satt

■ Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Clement (SPD) droht mit Bruch der Regierungskoalition

Johannesburg/Düsseldorf (taz) – Die Summe ist gering, der Streit um sie jedoch grundsätzlich. Gestern drohten die Koalitionsparteien in Nordrhein-Westfalen mit einem Abbruch ihrer Zusammenarbeit, die sie einst als Modell für Bonn gepriesen haben. Der Anlaß der Auseinandersetzung ist der Ausbau des Flughafens Dortmund mit Landesmitteln. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) will dafür 20 Millionen Mark bereitstellen, die Grünen sehen darin einen Bruch der Koalitionsvereinbarung und drohen, Clements Haushalt die Zustimmung zu verweigern. Der Etat sollte eigentlich gestern von beiden Fraktionen beschlossen werden, mit einer Änderung der Tagesordnung für die Haushaltsberatungen verschafften sich die Parteien noch 14 Tage Zeit für Verhandlungen.

Ein Versuch von SPD und Grünen, in der Nacht zum Dienstag im Koalitionsausschuß eine Einigung zu finden, scheiterte nach mehr als sechs Stunden. Danach bekräftigten beide Parteien erneut ihre Maximalpositionen. Die SPD-Fraktion beschloß am Vormittag einstimmig, die mit EU-Mitteln geförderte „Optimierung des Flughafens“ zu realisieren. Ihr Fraktionsvorsitzender Klaus Matthiesen betonte, dies sei nicht verhandelbar. Sollten die Grünen den Haushalt des Wirtschaftsministers wegen der darin enthaltenen Gelder für den Flughafenausbau ablehnen, werde er zwei Minuten später die Koalition für beendet erklären.

Die Vorgaben für die kompromißlose Haltung der Sozialdemokraten kommen aus dem fernen Südafrika. Dort tourt Clement zur Zeit mit einer großen Wirtschaftsdelegation durchs Land. In stundenlangen Gespächen mit seinen führenden Genossen in Düsseldorf hat Clement unmißverständlich deutlich gemacht, daß für ihn jetzt die Stunde der Entscheidung gekommen ist. Er will keinen Deut mehr zurückweichen. Wenn die Grünen den Dortmunder Flughafenausbau weiter blockieren, ist für ihn die Koalition zu Ende. Der einstige „Architekt“ des rot- grünen Bündnisses geht noch weiter. Er verlangt darüber hinaus, daß das umstrittene Bochumer Autobahnteilstück der A 44 gebaut, die von den Bündnisgrünen geforderten Nachtflugeinschränkungen für den Flughafen Köln/Bonn verhindert und der dort zugesagte ICE-Anschluß ohne jede Einschränkung realisiert wird.

Daß gestern das amerikanische Frachtflugunternehmen TNT seine Abwanderung von Köln ins belgische Lüttich angekündigt hat, dient Clement als zusätzliches Argument, sich jeder Vertagungsstrategie zu verweigern. 600 Arbeitsplätze gehen durch den Wechsel in Köln verloren.

Besonders empört zeigt sich der Wirtschaftsminister über die grüne Umweltministerin Bärbel Höhn. Die hatte vergangene Woche davon gesprochen, man werde Clement im Laufe der nächsten Monate schon noch kleinkriegen. Das will Clement sich nicht länger bieten lassen.

Auf ungeteilte Zustimmung innerhalb der SPD-Führungsriege stößt Clement mit seinem kompromißlosen Kurs indes nicht. Nach der weitgehenden Einigung über den Haushalt halten manche Spitzengenossen die Zuspitzung jetzt für verfrüht, weil es der SPD noch an einer durchdachten Strategie – zu den im Gespräch befindlichen Optionen zählt eine Minderheitsregierung auf Zeit ebenso wie Neuwahlen – für die Zeit danach mangele. In der Düsseldorfer Staatskanzlei spielt man deshalb auf Zeit und sucht eine für beide Seiten befriedigende Lösung.

Am Freitag sitzt Clement wieder bei den Koalitionsrunden in Düsseldorf mit am Tisch. Einen Tag später beginnt der SPD-Landesparteitag. Walter Jakobs