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: Heat

Der große Gangsterfilm ist eigentlich in festen Händen. Nachdem seit den dreißiger Jahren schon fast alle Variationen durchgespielt wurden, schienen lediglich die ganz großen Epen von Coppola und Leone und die Stilisierung oder Ironisierung, wie sie Scorsese oder die Coen-Brüder betrieben, eine wirkliche Bereicherung zu sein. Alles andere war entweder zum x-ten Mal wieder aufgekochter Eintopf oder kurzlebige Spielerei. Umso erstaunlicher, daß ein Stilist wie Michael Mann, Erfinder der Serie Miami Vice, mit Heat einen lupenreinen Gangsterfilm präsentiert, der einem drei Stunden lang den Atem raubt.

Vincent Hanna (Al Pacino, Foto) ist Polizist, Neil McCauley (Robert Di Niro) ist Verbrecher. Und das ist auch der wesentliche Unterschied zwischen den beiden. Sie sind getrennt durch die Grenze des Gesetzes. Ansonsten sind sie sich ähnlicher, als ihnen lieb ist. Beide haben Beziehungsprobleme. Hanna kann sich nicht seiner Familie widmen, vernachlässigt seine Frau und seine Stieftochter. Das Verbrechen dringt nicht direkt in seine Familie ein, sondern in seinen Kopf und sein Herz. McCauley ist zwar liebesfähiger, aber dadurch, daß er gejagt wird, geht es auch in seiner Beziehung schlecht. Und auch bei ihm geschieht das durch den Kopf. Er traut sich kaum, ein solches Leben seiner Geliebten zuzutrauen. So kreisen Hanna und McCauley umeinander, bedingen gegenseitig ihre Existenz und zerstören als Vertreter oppositioneller Prinzipien ihr Leben.

Diese Parallelen und Verschlingungen finden in Michael Manns Inszenierung auf grandiose, glasklare Weise ihren Ausdruck. Immer sind Hanna und McCauley direkt gegeneinandergeschnitten, einmal sogar in zwei identisch komponierten Großaufnahmen, was einen fast telepathischen Kontakt nahelegt. Und im Zentrum des Films steht die erste Begegnung, wo die Kamera um sie herumkreist, als wolle sie sie mit ihren Bewegungslinien fesseln. Das mag dann doch alles nach larmoyanter Verklärung von Schicksal klingen, aber davon ist Heat weit entfernt. McCauley erscheint nämlich auch als erbarmungsloser Pragmatiker, dem Menschenleben bei seinen Überfällen kaum mehr sind als ein Faustpfand für die eigene Freiheit. Zwar ist er kein wahnsinniger Psychopath, aber vor allem eben kein romantischer Outlaw.

Was allerdings Heat nahezu in den Rang eines Meisterwerks erhebt, ist seine bezwingende visuelle Inszenierung. Die krassen Gewalttätigkeiten während und nach den Überfällen kulminieren zum Beispiel in einer Schießerei während der Rush Hour in Los Angeles, was in den besten Momenten an den desorientierten akustischen und optischen Terror der Showdowns von Sam Peckinpah, der ja bisher ziemlich konkurrenzlos dastand. Sven Sonne

City, Gloria, Hansa, Oase, Savoy