Tummelplatz der Grenzdebilen

■ Wohltuend drastisch: Gregor Schramms Kabarett „Schlachtenbummler“ im Packhaus

Auf den jungen Herrn in der ersten Reihe hatte sich Georg Schramm besonders eingeschossen. Das Gefühl, zum ersten Mal die Mündung einer Pistole vor Augen zu haben! Da vergesse man doch alle Urlaubsbilder, so aufregend sie auch gewesen seien. Aber das waren sie wohl gar nicht, warf Schramm, mit der Waffe fuchtelnd, dem Jungmann vor den Kopf. Schlittschuhlaufen am Jadebusen, zu mehr hätte es doch nicht gereicht!

Wir befinden uns in einem nicht näher benannten Krisengebiet, in das der Kabarettist Georg Schramm mit seinen „Reality Tours“ zum Erlebnisurlaub einlädt. Premiere seines neuen Programms „Schlachtenbummler“ war am Dienstag im nicht ganz gefüllten Theater im Schnoor. Die Bundeswehr sorgt für Ordnung und Sicherheit in dieser hochgerüsteten Version eines „Club Méditerranée“, wo sich allerhand Grenzdebile tummeln, bei Laune gehalten von „Bunker-Klaus“.

Ob Schramm sich mit einem Minimum an Attributen nun in den den hippen Klaus – rotgetönte Brille, Stirnband –, in den zackigen Leutnant der Reserve oder den Militaria-Sammler, der gerne als Spielzeug getarnte Tretminen tauscht – wenn Georg Schramm aus dem Stegreif in seine undelikaten Rollen schlüpft, dann sitzen sie perfekt.

Die Dialekte schüttelt Schramm mühelos aus dem Ärmel, das Vokabular des hanseatischen Weltkriegsteilneh-mers (so überhöht, das man den Jahrgang 14/18 vermutet) und sein Loblied der preußischen Tugenden beherrscht er ebenso wie die wunderbar penetrante Mixtur aus Haudegen-Slang und Küchenpsychologie, die dem Hauptmann der Reserve unablässig aus dem Munde quillt.

Wohltuend hebt sich Schramms Programm ab von den altväterlichen Gags vom Schlage eines Hans Scheibners oder von Nummernrevuen, die im Klamauk versanden oder sich mit der Parodierung der ewig selben Prominenten begnügen. Schramm vermeidet es klugerweise, aktuelle Tagespolitik im kabarettistischen Zerrspiegel zu reflektieren. Ein paar Anspielungen auf Schäuble und Rühe, ansonsten seziert Schramm den täglichen Wahnsinn deutscher Spielart in der Maske eines halben Dutzends bis zur Schmerzgrenze ausgespielter Wahn-Charaktere. Und hat sein Publikum fest im Griff: Stille im Saal, wenn er als simpler Äppelwoi-Pensionär über das Krebsleiden seiner Frau lamentiert und der AOK dankbar ist, daß die „Mutti“ ihre Perücke auch im Sarg aufbehalten darf: „weschen der Bietät!“. Wohltuend drastisch, der Mann. Satire ohne integrierte Minderheiten-Schutz-Schaltung, jenseits politischer Korrektheit.

Wer sich in die ersten Reihen setzt, ist selber schuld. Schramm attackiert unerbittlich alle, von denen er es für richtig hält – und merkt sich, wer sich nach der Pause verzogen hat. Auch Sie könnten dabei sein! Bloß am Ende der perfekten kabarettistischen tour de force, gibt's statt Zugabe eine ernste Botschaft mit auf den Weg: einen Spendenaufruf zugunsten von Medico international, einer Kampagne zur Ächtung von Tretminen.

Alexander Musik

bis 3.3., jeweils um 20 Uhr, im Theater im Schnoor (außer: 2.3., 19 Uhr, Waldau-Theater)