Sparen in der Diaspora

■ Der freien Kulturszene stehen empfindliche Einbußen bevor –besonders den Frauenprojekten

Auch die freie Kulturszene darf ihren Beitrag zur Sanierung der Bremer Finanzen leisten. Die Kulturläden und Stadtteiltreffs sollen im laufenden Jahr Beträge zwischen 4.000 und 60.000 Mark einsparen – wenn es nach der Kulturbehörde geht. Die legte jetzt einen Vorschlag auf den Tisch, nach dem der sog. „Projektetopf“ des Kulturhaushalts um insgesamt über 400.000 Mark erleichtert wird. Dieser Rahmen ist bereits beschlossene Sache; in der nächsten Woche aber, wenn die Kulturdeputation am 6.3. über dem Papier zu Rate sitzt, geht es um die Einzelposten. Und da wird derzeit schon hektisch gefeilscht. Besonders stark betroffen wären die Frauenkulturprojekte „Belladonna“ und „Thealit“ – trotz erheblicher Proteste auch von außerhalb.

Als „völlig unverständlich“ kritisiert Rainer Kaminski, Vorstand der LAG (Landesarbeitsgemeinschaft) Soziokultur, die Sparvorschläge der Behörde. Die Behörde argumentiere zwar mit Kriterien wie „Regionalität“, also der Bündelung vergleichbarer kultureller Angebote in den Bremer Stadtgebieten. Aber gerade bei den stark betroffenen freien Projekten greife dieses Kriterium nicht: Im Kulturladen Gröpelingen z.B. soll die Förderung von 286.000 Mark (1995) auf 222.500 Mark (1996) heruntergefahren werden – Tendenz fürs nächste Jahr: fallend. Aber gerade in Gröpelingen existiere nun nicht gerade ein kulturelles Überangebot. „Es ist doch eher Diaspora hier draußen“, sagt Achim Sauer vom Kulturladen.

So empfindet man bei der LAG die Sparvorschläge als willkürlich. Dabei gab es das Angebot an die Behörde, gemeinsam über neue Förderkriterien nachzudenken. Doch darauf – und auf die gleichzeitige Forderung nach einem Moratorium für zwei Jahre – ließ sich die Behörde offensichtlich nicht ein: „Wir haben das Gefühl“, sagt Kaminski, „es steckt gar kein System dahinter.“

Das sehen die Frauen bei „Belladonna“ anders. Denn die freien Angebote für Frauen werden in dem Behördenpapier überproportional gekürzt, sagt Mitarbeiterin Maren Bock. Neben „Belladonna“ und „Thealit“ seien mehrere Projekte betroffen, die verstärkt Frauen ansprechen: das KUBO, der Gröpelinger Kulturladen, der Treffpunkt „Klöntje“ in der Neustadt – „die Tendenz ist ganz klar“, sagt Bock.

Unklar ist hingegen, warum bei diesen Einrichtungen in diesem Ausmaß gespart werden soll. Nach Ansicht der Frauen wird hier über einen Leisten geschert, was nicht miteinander vergleichbar sei: „Thealit“ spricht sein Publikum eher über Kunstprojekte an, „Belladonna“ leistet hingegen mehr Bildungsarbeit – zum Beispiel mit dem bundesweit größten Pressearchiv zu Frauenthemen. Genau das würde in seiner Arbeit stark eingeschränkt, wenn die Zuwendungen für „Belladonna“ tatsächlich von 193.400 auf 152.000 Mark heruntergestrichen würden. Geld für Bücherankäufe, um z.B. den aktuellen Stand der Frauenforschung im Archiv zu repräsentieren, gäbe es dann nicht mehr, sagt Bock. Und die Kulturveranstaltungen müßten um rund 40 Prozent gekürzt werden.

Dabei gehört „Belladonna“ zu den Projekten, die bisher am stärksten Widerstand gegen die Kürzungen mobilisiert haben. In der vergangenen Woche legten die Frauen eine lange Liste von Protestschreiben aus dem ganzen Bundesgebiet vor. Dreimal hat man mit der Kultursenatorin Bringfriede Kahrs (SPD) gesprochen, hat den Kulturdeputierten aller Parteien die Besonderheiten des Hauses nähergebracht, heute hat sich gar die CDU in Gestalt von Elisabeth Motschmann angesagt.

So hoffen die Projekte, daß sich die Politiker nicht widerspruchslos den Sparvorschlägen der Behörde anschließen. Immerhin hatte Marita Emigholz (SPD) in der jüngsten Kulturdebatte der Bürgerschaft angekündigt, die längst in den Stadtteilen etablierten Projekte künftig besserzustellen: Man müsse „langfristige Aufgaben definieren und den Mut haben, diese in den Haushalt zu integrieren“. Kurzfristige Projekte hingegen sollten nicht automatisch verlängert werden.

Einer Neuordnung der Projekteszene verschließt sich auch die LAG Soziokultur nicht. „Das muß aufhören, daß wir jedes Jahr aufs Neue unsere Existenz begründen müssen“, sagt Kaminski. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hatte die damalige Kultursenatorin Helga Trüpel eine „Verstetigung“ der freien Projekte angekündigt – will meinen: feste Stellen statt wackeliger Projektmittel.

Doch das scheint derzeit nicht mehr als ein kühnes Ziel zu sein: Der „Projektetopf“ wird tatsächlich kleiner, aber die festen Haushaltsstellen sind nicht in Sicht.

tw