Kinder- und jugendfreundliche Umwelt schaffen

■ betr.: „Protest gegen Ausfragebo gen“ (Ganztagsplatz nur bei Ar beitsnachweis?!), taz vom 2. 2. 96

Das Haushaltsdefizit und der Mangel an Ganztagsplätzen im Westteil der Stadt werden von Frau Stahmer und ihrer Verwaltung als Begründung herangezogen, Eltern bei der Anmeldung ihres Kindes Fragen zu stellen, die weit in die Privatsphäre gehen, und Nachweise zu verlangen, die einen über einen Halbtagsplatz von vier bis fünf Stunden hinausgehenden Betreuungsumfang begründen.

Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen: Eltern, die für ihr Kind nur ein vier- bis fünfstündiges Betreuungsangebot wünschen, sollen dies auch bekommen. Allein die Eltern können jedoch entscheiden, welchen Betreuungsumfang sie aufgrund ihrer familiären Situation benötigen.

Berufstätigkeit ist dabei nur ein wichtiger Faktor. Neben der Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Kindererziehung hat der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz vor allem die Förderung der Entwicklung des Kindes und Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zum Ziel. Dazu gehört auch, Erfahrungen mit anderen Erwachsenen und vor allem anderen Kindern machen zu können.

Die Möglichkeiten, andere Kinder einfach so zu treffen und mit ihnen zu spielen, haben Kinder heute jedoch kaum noch. Es fehlen wohnungsnahe Spiel- und Bewegungsräume, zu den wenigen Spielplätzen müssen die Kinder von den Eltern (meist den Müttern) begleitet werden. Die Wohnungen sind oft zu klein und die meist kinderlosen Nachbarn selten so tolerant, tagtäglich von morgens bis abends die natürlichen Lebensäußerungen spielender Kinder (Lachen, Weinen, Schreien, Laufen, Hüpfen) im Haus zu akzeptieren.

Man kann nicht über den Geburtenrückgang, zunehmende Konzentrations- und Verhaltensstörungen, Kinder- und Jugendgewalt und Gewalt gegen Kinder klagen und dann die Eltern und Kinder mit ihren Problemen auf sich selbst verweisen und alleine lassen.

Das Kinder- und Jugendhilfegesetz gibt dem Senat als oberste Landesjugendhilfebehörde den klaren Auftrag, positive Lebensbedingungen für junge Menschen und ihre Familien sowie eine kinder- und familienfreundliche Umwelt zu erhalten oder zu schaffen. Mit den derzeit geplanten tiefen Einschnitten in die soziale Versorgung der Berliner Bevölkerung handeln CDU und SPD eindeutig gegen diesen Auftrag. Elfi Jantzen, MdA