„Chemulack“: Behörden schliefen jahrelang

■ Umweltverwaltung wußte seit 1989 von der Verunreinigung des Bodens

Bei der Steglitzer Farben- und Lackfirma „Chemulack“ haben die Senatsverwaltungen jahrelang geschlafen, beide Augen zugedrückt oder sich an der Nase herumführen lassen. Sowohl Umweltkripo wie auch der Umwelt- und Wirtschaftsstadtrat des Bezirks Steglitz kritisierten gegenüber der taz, daß „Chemulack“ nie dazu aufgefordert wurde, das von ihr jahrelang verseuchte Firmenareal zu sanieren. Dabei hat bereits ein Gutachten vom November 1989 festgestellt, daß der Boden mit Lösungsmitteln, Chloriden und aromatischen Kohlenwasserstoffen kontaminiert ist. Möglicherweise sei auch das Grundwasser betroffen. Die Bodenverseuchung war entdeckt worden, als ein unterirdischer 10.000-Liter-Tank ausgebaut wurde. Offensichtlich waren die Leitungen, die zu diesem 25 Jahre alten Tank geführt haben, undicht.

Doch geschehen ist in Sachen Sanierung bis heute nichts. Einzige Konsequenz, die damals aus der Bauverwaltung verfügt worden ist: Den ausgehobenen, kontaminierten Boden wieder zurückzuschütten. Verantwortlich war Referatsleiter Hans-Joachim Kaufmann. Jener Kaufmann, der vor zwei Jahren seinen Hut nehmen mußte, weil er Bauschutt nicht oder unzureichend entsorgen ließ und dafür Gelder von den begünstigten Unternehmen erhalten hatte.

Die Senatsverwaltung Umwelt hat schon im Dezember 1991 gewußt, daß „Chemulack“ nicht in der Lage sein wird, den Boden zu sanieren. Damals war noch von 20 Millionen Mark Sanierungskosten die Rede, mittlerweile sind es dreistellige Millionenbeträge. Abenteuerlich erscheint in diesem Zusammenhang ein interner Vermerk vom Mai 1994 an den damaligen Umweltsenator Volker Hassemer (CDU): „Von der Anordnung von Sanierungsmaßnahmen wurde von unserer Verwaltung jedoch abgesehen, da die Firma Chemulack aufgrund ihrer erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zur Durchführung der Maßnahmen nicht in der Lage gewesen wäre.“ Wäre. Fünf Monate zuvor hatte das Bezirksamt Steglitz die Firma zwangsweise wegen fortgesetzten Umweltverstössen stillegen lassen.

Die Behörden ließen sich von Kristian Benzmann, dem alleinigen Gesellschafter von „Chemulack“ an der Nase herumführen. 1987 war ihm aufgetragen worden, seine veralteten Anlagen zu erneuern, da sie nicht mehr dem Standard des Immissionsschutzgesetzes entsprachen.

Benzmann unternahm nichts. Als schließlich, 1992, die Stillegung drohte, schloß er mit der Senatsverwaltung einen Vertrag: Eine Anlage wird abgeschaltet und die Produktion soweit gedrosselt, daß keine Genehmigungspflicht mehr besteht. Das war nur eine Absichtserklärung. Tatsächlich geschah wieder nichts.

Die seit kurzem von Umweltsenator Strieder (SPD) geführte Verwaltung sah sich gestern außerstande, sich zum Fall „Chemulack“ zu äußern. Christoph Oellers