■ Knud Kohr schreibt mit dem Pürierstab
: Prosa im eigenen Saft

Die junge Welt ist eine Tageszeitung, die Journalismus wie Lobbyismus buchstabiert; ein Herr Bozie zum Beispiel schreibt dort nahezu täglich in einer Weise über die PDS, als stünde er auf ihrer Gehaltsliste. Diverse Redaktionsautonome experimentierten mit einer Mischung aus Flugblatt und Hirtenbrief für die WG, und zur händeringenden Pose des Linksradikalismus gehört auch der täglich repetierte Glaubensatz, man lebe in Zeiten, gegen die das Leiden Christi oder das Dritte Reich vergleichsweise fröhliche Angelegenheiten gewesen seien. Was der Berliner Tagesspiegel „Rerum Cognoscere Causas“ beziehungsweise „Hossa, Hossa, Hossa!“ nennt, das heißt bei der jungen Welt: keine Ahnung, aber dafür eine Gesinnung von der Stange.

Kann eine Zeitung denn ganz und gar Grütze sein? Theoretisch ja, praktisch nein; im Feuilleton hat Ressortleiter Stefan Ripplinger ein paar Autoren versammelt, denen Sprache mehr ist als bloß der Transmissionsriemen für langweilige Grundsätze. Einen von ihnen hat Ripplinger nach guter Trainer- Sitte zum Star aufgebaut: Knud Kohr. Seine Kolumne „Imbiß der Woche“ genießt längst Kultstatus, und so ist es nicht verwunderlich, daß Kohrs beste Arbeiten für die jW als Buch erschienen sind. Knud Kohrs Erfolg basiert auf dem bewährten Rezept „Ich und meine kleine Welt“ beziehungsweise in diesem Fall „Ich und meine junge Welt“; munter plaudert Kohl Interna aus, die er zuvor aber mit seiner höchst eigenartigen Wahrnehmung verquickt hat: Chefredakteur Behnken, heißt es bei Kohr, führe eine Peitsche mit sich und sperre Nachwuchsjournalisten in einen Schrank. Leider stimmt das gar nicht – sonst sähe das Blatt – siehe oben – nicht so leidensmäßig schlecht aus.

Ein weiteres Ingredenzium zu Kohrs Stil ist die beabsichtigte Themaverfehlung; eine Methode, die er bei Max Goldt entliehen hat, dem Kohr ohnehin nicht selten epigonal nacheifert; auch dem Freundeskreis der Anhänger des überflüssigen Adjektivs tritt Kohr bei, wenn er sich beispielsweise als „knallharten Realisten“ bezeichnet. Besser wird es gleich, wenn er, statt stilistische Sperenzchen zu machen, drauflos erzählt: Alptraumhafte Räuberpistolen breitet Kohr aus, einen Kosmos, der aus Verfolgung und Niederschlägen besteht, aus Überschriften wie „Unheil, dein Name ist Currywurst“, aus Rezepten für „Faultier im Salzmantel“ und „Bärenohr in Baiser“, und keinen Freund hat der Held zur Seite als seinen treuen Pürierstab.

Die Hürde, seinen Lesern stets auch noch ein Rezept mitteilen zu müssen, hat Kohr bislang noch immer genommen; man sollte sich aber vor dem Nachkochen hüten und lieber nachlesen, wie Knud Kohr das Geräusch beschreibt, das eine Plastikflasche macht, wenn der Küchenbulle an der Imbißbude Ketchup aus ihr herausstrutzt. Denn bei allem Schmoren im eigenen Saft, bei aller Don-Quixote-Koketterie hat Knud Kohr ein seltenes Talent: Er kann die Wirklichkeit beschreiben, so schabbelig und erbärmlich sie auch sei, und das in feinster Autistenprosa.

Ein Wermutstropfen aber soll nicht verschwiegen sein: Knud Kohr hat nicht darauf verzichten können oder wollen, sein Konterfei vorn aufs Buch zu pappen; das Bedrucken von Buchumschlägen und -deckeln mit dem eigenen Bild aber soll Erkennungszeichen und Privileg sein und bleiben für Angeber- und Ekelexistenzen wie Sabine Christiansen, Jürgen Fliege und viele ähnliche mehr. Wiglaf Droste

Knud Kohr: Imbiß der Woche – Kochen für Hartgesottene, Verlag 8. Mai 1996, 110 Seiten, 24,80 DM, Hardcover