Das Portrait
: Der Überflieger

■ Thomas Reiter

Thomas Reiter, unser Mann im All, soll heute auf sicheren Boden zurückkehren Foto: AP

Er ist ein sachlicher Mensch, Europas neuer Weltraumheld Thomas Reiter – das hatte sich schon vor seinem Start gezeigt. Die Frage, ob er nicht Angst habe vor einer monatelangen Isolierung in der Schwerelosigkeit, beantwortete der aus Frankfurt am Main stammende mittelblonde Raumflieger mit dem knappen Hinweis auf seinen Beruf als Testpilot der Luftwaffe, bei dem man auch unter erschwerten Bedingungen zu arbeiten und bisweilen schnell und präzise Entscheidungen zu treffen habe.

Eventuelle Gesundheitsschäden durch die lang anhaltende Schwerelosigkeit – immerhin wird der 1,82 Meter große, blauäugige ESA-Kosmonaut jetzt vier Wochen im Sternenstädtchen unter strenger medizinischer Überwachung bleiben und danach noch ein Rehabilitationsprogramm zu absolvieren haben – schrecken ihn auch nicht. Seine russischen Kameraden haben es geschafft, meint er vor dem Start, da werde er es wohl auch schaffen.

Im persönlichen Gespräch verliert Europas neues Weltraum-As schnell alle Sprödigkeit. Er wirkt keinesfalls „abgehoben“, wie das bisweilen bei dem einen oder anderen Astronauten zu beobachten ist, und hat ein Talent, auch schwierigere Sachverhalte klar zu schildern. Daß er bei aller Sachlichkeit kein trockener Technokrat ist, zeigt sich spätestens, wenn der Frankfurter zur Gitarre greift. Auch ein zweites wichtiges Hobby zeigt, daß Reiter den irdischen Genüssen durchaus nicht abgeneigt ist. Er schwingt den Löffel als Hobbykoch.

Seine Intelligenz hat Reiter schon vor dem Start unter Beweis gestellt. Er erreichte im Training bei seinen russischen Prüfern mit 4,9 eine Bestnote, die zuvor noch kein ausländischer Kosmonaut erzielen konnte. Auch ist während seines Raumfluges deutlich geworden, daß seine neuerworbenen russischen Sprachkenntnisse erheblich besser sind als die anderer russischer Weltraumgäste.

Gefühle und Sentimentalitäten vor der Öffentlichkeit auszubreiten liegt Reiter zwar nicht. So meinte er von der Raumstation Mir aus: „Hier oben geht alles besser, als ich mir das vorgestellt habe.“ Daß er aber dennoch Sehnsucht nach seinem Heimatplaneten und dem Duft der Erde bekommen hatte, verriet nur ein Satz: „Ein halbes Jahr kann man das ohne Probleme hinnehmen – man weiß ja vorher, daß es hier oben keine Bäume und keinen Rasen gibt.“ Anatol Johansen