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Kunstengel

■ Himmlische Wesen von Elisabeth Wagner in der Kunsthalle Bremerhaven

Am Ende eines von der Stadt geförderten einjährigen Aufenthalts im Künstler-Atelier des Vereins „Kunst und Nutzen“, einem ehemaligen Pferdestall, zeigt die Hamburgerin Elisabeth Wagner in Bremerhavens Kunsthalle derzeit Skulpturen und Zeichnungen unter dem Motto „Obhut“. So wie das aus dem täglichen Sprachschatz fast verschwundene Wort für Schutz und Herrschaft steht, so zweideutig sind auch die Figuren, die sie in der Kunsthalle aufgebaut hat.

Auf hohen, schmalen Holzsockeln hängen an Drahtgestängen übergroße Hauben, die an alte Frauen, an Schutz und Hilfe, an Nonnen- oder Schwesterntracht erinnern. Elisabeth Wagner verwendet kein edles Material. Ihre 13 verschiedenfältigen Hauben sind aus dünner Pappe, weiß gestrichen. Die spröden und zerbrechlichen Figuren schweben über den Köpfen der Ausstellungsbesucher wie einander zugewandte Schutzengel, jeder Luftzug bringt sie ins Schwingen. Wer die Augen schließt und wartet, sagt der Hamburger Hochschullehrer Dietrich Helms bei der Eröffnung, könne erleben, daß sich diese Figuren vor dem inneren Auge in Bewegung setzen.

Elisabeth Wagner, Schülerin von Franz Erhard Walther und stark beeinflußt von der seriellen Strenge Donald Judds, hat den Raum mit wenigen, reduzierten Zeichen als Gesamtkunstwerk gestaltet. Sollen Zeichnungen, Plastiken und Raum unter dem Mantel des Wortes „Obhut“ auf eine neue gotische Kathedrale verweisen? Kunst als Religionsersatz? Nein, dazu ist ihr Konzept zu intellektuell, ihr „billiges“ Material spricht jenseits der Meditation auch eine ironische Sprache.

Die zarten Hauben sprechen auch von Zucht und Ordnung und Gewalt, von Unterwerfung und Anbetung, die dieses Material gerade nicht ermöglicht. So bleiben die Imaginationen der Besucher, die sich neben, zwischen und unter diese Hauben stellen, zum Beispiel die Vorstellung, die leise nickenden Nonnenköpfe würden im Garten eines klösterlichen Kreuzgangs stehen. Hans Happel

Bis 24. März in der Kunsthalle Bremerhaven, Karlsburg 4

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