Mexiko

Die „längste Nase der Welt“ soll wieder einmal in mexikanische Angelegenheiten gesteckt werden. Ähnlich wie der Journalist José Reveles beurteilen sowohl Regierungsvertreter als auch -kritiker das umstrittene „Führungszeugnis“, das die US-Regierung ihrem kleinen Nafta-Bruder im Süden ausstellen wird. Dabei wird dieses Jahr erstmals eine deutliche Rüge in Form eines „Ja, aber...“ erwartet: Das würde bedeuten, daß Mexiko zwar noch keine Sanktionen, wohl aber „eine Reihe von Konditionen“ zu erwarten hätte, beispielsweise die weitere Abriegelung der über 3.000 Kilometer langen Grenze.

Noch vor wenigen Tagen forderte der potentielle republikanische Präsidentschaftskandidat Bob Dole, den Mexikanern das begehrte Zertifikat ganz zu verweigern. Schließlich habe Mexiko, so Dole wörtlich, „einen bedauerlichen Rekord an Indifferenz und sogar offener Komplizität gegenüber dem Drogenhandel“ an den Tag gelegt. Knapp einen Monat zuvor hatten die Senatoren D'Amato und Feinstein vorgeschlagen, die ausstehende Finanzhilfe, also die restlichen 7,5 Milliarden Dollar des vor einem Jahr bewilligten 20-Milliarden-Kredits, wegen „mangelnder Kooperationsbereitschaft“ vorläufig auszusetzen. Dabei hatten die mexikanischen Behörden erst Mitte Januar mit der spektakulären Festnahme von Drogenboß Juan García Abrego, einem der zehn meistgesuchten Männer in den USA, ein deutliches Goodwill-Signal gen Norden gesandt: Obwohl gegen den Chef des Golf-Kartells auch im Lande selbst diverse Haftbefehle vorlagen, wurde er umgehend „als unerwünschter Ausländer“ den US- Behörden übergeben – ohne jeden Auslieferungsantrag.

Mexiko ist nach Ansicht von DEA-Chef Thomas Constantine heute der „Dreh- und Angelpunkt für den Erfolg der US-amerikanischen Drogenstrategie“. Der Grund liegt in der sogenannten Kolumbianisierung der mexikanischen Narco-Szene: Nach Schätzungen der DEA werden inzwischen schon 70 Prozent des US- Kokainmarktes via Mexiko bedient. Schuld sei, so Bundesstaatsanwältin Janet Reno, die „ungenügende“ Gesetzgebung im Nachbarland.

Die hiesigen Behörden weisen derlei „unbewiesene Anschuldigungen“ prompt „energisch“ zurück. Während Präsident Ernesto Zedillo vage, aber unmißverständlich an „den Respekt vor der nationalen Souveränität“ erinnerte, wurde sein Außenminister deutlicher: Der gesamte Bewertungsprozeß sei „aus legaler Sicht nicht legitimiert“ und die bilaterale Lage werde dadurch „höchst ungemütlich“.

Auch im regierungskritischen Lager stößt die „Certification“ auf Ablehnung. Es sei schon erstaunlich, schreibt der Kolumnist Eduardo Huchim, daß ausgerechnet die Verfechter neoliberaler Rezepturen im Drogenkrieg die „einfachsten Marktgesetze“ vergessen: Angebot und Nachfrage. Denn das illegale Angebot aus dem Süden sei doch nicht Ursache, sondern Folge des „unersättlichen Konsums“ im Norden. Anne Huffschmid