Jörg Haider bald nicht mehr immun

■ Parlamentsausschuß will Oppositionschef vor Gericht sehen

Wien (taz) – Es war 5.45 Uhr am Donnerstag morgen. Der Immunitätsausschuß des Wiener Parlaments hatte die ganze Nacht getagt und schließlich entschieden: Die parlamentarische Immunität von Oppositionsführer Jörg Haider wird in zwei Fällen aufgehoben, Österreichs Rechtsaußen von den „Freiheitlichen“ (F) muß vor Gericht. Am 13. März soll das Parlamentsplenum zustimmen.

Zum ersten Mal seit Jahren bricht damit das Wiener Parlament mit der liebgewordenen Gewohnheit, Abgeordnete generell nicht an Gerichte zu überstellen. Um dem F-Vorwurf zu begegnen, es handele sich bei der Entscheidung um eine „Lex Haider“ und einen „Willkürakt“, faßten die Sozialdemokraten (SPÖ), die Konservativen (ÖVP) und das Liberale Forum gleich einen Grundsatzbeschluß: In Fällen von übler Nachrede, Verleumdung, Kreditschädigung oder Beleidigung soll nun in Zukunft in jedem Fall die sogenannte außerberufliche Immunität aufgehoben werden. Was die Abgeordneten innerhalb des Parlaments sagen, gilt allerdings als berufliche Immunität und soll auch weiterhin straffrei bleiben.

Der Entscheidung gegen Jörg Haider waren zwei Strafanzeigen vorausgegangen: Der F-Chef hatte im Wahlkampf im Dezember 1995 Innenminister Caspar Einem (SPÖ) wiederholt vorgeworfen, er habe in den 60er Jahren im Gefängnis gesessen. Das angegebene Gefängnis hat es in Wahrheit zu dieser Zeit nie gegeben. Im zweiten Fall hatte Jörg Haider der Illustrierten News verleumderische Berichterstattung und Urkundenfälschung vorgeworfen, was sich auch nicht aufrechterhalten ließ.

Im Wahlkampf arbeitete Haider systematisch mit unwahren „Aufdeckungen“ über „Sozialschmarotzer“. Glatt gelogen war so die Geschichte vom Direktor der Salzburger Gebietskrankenkasse, der mit 46 in Frühpension ging. „Der ist so gesund“, tönte es damals auf den Haider-Wahlveranstaltungen, „daß er jede extreme Sportart machen kann, damit er irgendwann einmal Ermüdungserscheinungen hat, weil vorher beim Arbeiten hat er ja sowieso keine Anstrengungen erbringen müssen“. In Wahrheit ist der Betroffene schwer leukämiekrank.

Bisher hatten die Betroffenen dagegen keine Handhabe. „Wenn der Herr Haider nicht aufpaßt, was er sagt, könnte er jetzt sehr oft vor dem Kadi landen“, sagt Christian Kern von der SPÖ-Fraktion. „Als Kläger gegen Zeitungen und Kritiker ist er ja sowieso schon Weltmeister.“ Daniel Asche