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Zwei Lahme sollen Türkei flott machen

Nach mehrmonatigem Hin und Her regiert jetzt wieder das in sich zerstrittene bürgerliche Lager. Stabiler wird die Türkei davon nicht, die Islamisten lachen sich schon ins Fäustchen  ■ Aus Istanbul Ömer Erzereren

Schenkt man türkischen Presseberichten Glauben, scheint die Bildung einer Regierungskoalition zwischen den beiden rechtsbürgerlichen Parteien in der Türkei unmittelbar bevorzustehen. Es wird erwartet, daß bei dem heutigen Treffen der Vorsitzenden der Partei des rechten Weges, Tansu Çiller und dem Vorsitzenden der Mutterlandspartei, Mesut Yilmaz ein Koalitionsprotokoll unterzeichnet wird.

Die beiden Parteiführer waren am Mittwoch zu einem zweieinhalbstündigen Gespräch zusammengekommen und hatten anschließend erklärt, daß eine „prinzipielle Übereinkunft“ erzielt worden sei. Die Koalition werde die ganze fünfjährige Legislaturperiode Bestand haben, behauptete Çiller. Die beiden konservativen Parteiführer, die sich sowohl im Wahlkampf als auch nach den Wahlen beständig mit Feindseligkeit begegnet waren, wollen nun zwar gemeinsam regieren, aber sich zugleich aus dem Weg gehen: Sie haben sich auf ein kompliziertes System der Rotation des Ministerpräsidentenamtes geeinigt. Danach Wird bis zum Ende dieses Jahres Yilmaz Ministerpräsident, gefolgt von zwei oder zweieinhalb Jahren Çiller. Dann kommt wiederum Yilmaz und zuletzt ein Politiker, auf den sich beide einigen.

Die Mutterlandspartei besteht darauf, im Kabinett die wirtschaftspolitischen Schlüsselministerien zu übernehmen. Vorantreibung der Privatisierung, eine Steuerreform und Umstrukturierung des Justiz- und Erziehungswesens werden auf dem Programm stehen. Die starre Haltung in den Kurdenpolitik – sie beschränkt sich auf den Einsatz des Militärs zur Bekämpfung der kurdischen Guerilla PKK (Kurdische Arbeiterpartei)– soll fortgesetzt werden.

Bis diese Koalitionsvereinbarung endlich perfekt war, sind seit den Wahlen über zwei Monate verstrichen. Heftige gegenseitige Beschuldigungen waren stets das Ergebnis der wiederholten Treffen zwischen Yilmaz und Çiller. Zuletzt versuchte Yilmaz sogar eine Koalition mit der islamistischen Wohlfahrtspartei unter Necmettin Erbakan zu formen, die bei den Wahlen den größten Stimmenanteil errungen hatten, obwohl Parteiführer Yilmaz seinen Wahlkampf unter Verweis auf die angebliche „islamistische Gefahr“ geführt hatte. Doch auch das scheiterte. Spekulationen, daß der Generalstab durch heimlichen Druck auf Yilmaz die Koalition der Mutterlandspartei mit der Wohlfahrtspartei verhindert habe, wurden laut.

In Kreisen der Wohlfahrtspartei ist man der festen Überzeugung, daß die Militärs eine Machtbeteiligung der Islamisten verhindert haben. „Der Generalstab steckt dahinter“ sagt der Wohlfahrtsabgeordnete Mehmet Fuat Firat. Obwohl dafür keine Beweise vorliegen, ist es höchst wahrscheinlich, daß die Spitze der Generalität sanften Druck auf die bürgerlichen Politiker ausübte, um eine Regierungsbeteiligung der Wohlfahrtspartei zu verhindern. Nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen zwischen Wohlfahrtspartei und Mutterlandspartei und der Aussicht auf die jetzt vereinbarte bürgerliche Koalition stieg der Istanbuler Börsenindex um 20 Prozent.

„Wir sind zum Erfolg verurteilt. Andernfalls werden beide Parteien untergehen“, kommentierte Tansu Çiller die Koalitionsverhandlungen zwischen ihrer Partei des rechten Weges und der Mutterlandspartei. Die düstere Prophezeiung Çillers könnte sich bewahrheiten, denn die Erfolgschanchen der Koalition sind angesichts des Zustandes der türkischen Ökonomie denkbar schlecht. Die Frage, wie zwei so miteinander verfeindete Politiker wie Çiller und Yilmaz gemeinsam ein unabwendbares Austeritätsprogramm verantworten können, ist unbeantwortet.

Es kommt hinzu, daß sogar beide Koalitionsparteien zusammen über keine absolute Mehrheit verfügen. Zusammen kommen sie nur auf 261 Sitze in der 550köpfigen Nationalversammlung und sind daher auf die Duldung zumindest einer der beiden Linksparteien angewiesen. Der Frohsinn des Vorsitzenden der Wohlfahrtspartei Erbakan ist daher nicht ganz grundlos: „Diese Koalition wird in Kürze zusammenbrechen.“

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