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Erzwungener Datenfluß

Ausländerbehörden nötigen Vietnamesen zur Preisgabe von persönlichen Daten für Vietnam  ■ Von Vera Gaserow

Berlin (taz) – Um die zügige Abschiebung von Vietnamesen einzuleiten, leisten die Ausländerbehörden einiger Bundesländer dem vietnamesischen Staat unzulässige Amtshilfe. Sie zwingen die Betroffenen, einen Fragebogen mit umfangreichen persönlichen Angaben zu beantworten, der an die vietnamesischen Behörden weitergeleitet wird. Als die taz im Sommer letzten Jahres diese Praxis publik machte, protestierten Datenschützer von Bund und Ländern. Trotzdem wird sie fortgeführt.

Das Ausfüllen des Bogens darf allenfalls freiwillig erfolgen. Doch einige Ausländerbehörden helfen dieser „Freiwilligkeit“ mit einem aufgezwungenen Deal nach: Ohne komplett ausgefüllten Bogen keine aufenthaltsrechtliche Duldung und damit auch keine Arbeitserlaubnis mehr.

Der umstrittene Fragebogen firmiert unter dem Namen „Formular H 03“ und ist Teil des Rückübernahmeabkommens zwischen der Bundesrepublik und Vietnam. Die vietnamesische Seite hatte sich den Bogen ausbedungen, um über jeden einzelnen Rückkehrer schon vor dessen Ankunft genau informiert zu sein. Unter anderem werden die Betroffenen über Familienangehörige im Ausland befragt, über den Grund ihrer Ausreise aus Vietnam, über einen möglichen Asylantrag, über Reiseweg und Tätigkeiten im Ausland.

Als diese Praxis im Sommer letzten Jahres bekannt wurde, warnte der Datenschutzbeauftragte Mecklenburg-Vorpommerns, Werner Kessel, dies sei „aus datenschutzrechtlicher Sicht bedenklich“.

Eine „zweckwidrige Aktualisierung vietnamesischer Personalakten“ sah sein niedersächsischer Kollege Thilo Weichert in der deutschen Amtshilfe für die vietnamesischen Behörden. Die Betroffenen, so hatten die Datenschützer einhellig verlangt, müßten ausdrücklich und in ihrer Sprache auf die Freiwilligkeit des Ausfüllens hingewiesen werden.

Das hatte daraufhin selbst das Bundesinnenministerium eingeräumt. Einige Bundesländer wiesen ihre Ausländerbehörden sogar schriftlich an, im Zusammenhang mit dem Formular keinerlei Druck auf Vietnamesen auszuüben.

Eine entsprechende ministerielle Weisung existiert auch in Niedersachsen. Dennoch tauchten Ende Dezember im niedersächsischen Göttingerode die Mitarbeiter der Ausländerbehörde Goslar in einer von Vietnamesen bewohnten Sammelunterkunft auf. Nach Angaben von Zeugen mußten sämtliche 40 Bewohner das umstrittene Formular ausfüllen. Andernfalls, so die Drohung der Beamten, würden sie ihre Aufenthaltsduldung verlieren.

Im bayerischen Landshut, so bezeugt der Vietnamese Nguyen Thi M. habe das Landratsamt ihn am 8. Januar genötigt, das umstrittene Formular auszufüllen. Als er sich aus Angst vor möglichen Repressalien in Vietnam weigerte, alle Fragen zu beantworten, hätten die Beamten mit einem Arbeitsverbot gedroht. In Augsburg passierte mehreren Vietnamesen das gleiche: Ohne komplette Angaben auf dem Fragebogen keine Duldung. Unter diesem Druck gaben die Betroffenen ihre Weigerung auf, denn ohne Duldung hätten sie auch die Arbeitserlaubnis verloren. Sie wären auf Sozialhilfe angewiesen.

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