: Diplomatisches Urteil für verarmte Botschafter
■ Afrikanische Diplomaten haben hohe Schulden: Sozialhilfe gibt's aber nur, wenn ihr Staat am Ende ist
Berlin (taz) – Sozialhilfe ist das gute Recht eines jeden – ausgenommen mittellose ausländische Diplomaten, so urteilte gestern das Bundesverwaltungsgericht im Grundsatz. In der Begründung heißt es, die Sozialhilfe sei „mit dem Wesen und der Funktion des diplomatischen Dienstes unvereinbar“. Doch kein Prinzip ohne Ausnahme. Unter Umständen können Diplomaten dennoch Sozialhilfe beanspruchen, wenn ihr Entsendestaat nämlich handlungsunfähig ist und die diplomatische Tätigkeit faktisch eingestellt hat.
Ein juristischer Satz, der Ruqia Ali Hosh vor dem Schlimmsten bewahren könnte. Die Diplomatin aus Somalia erstritt das Urteil. Ihre Regierung hatte im September 1990 sämtliche Zahlungen an die Botschaftsangehörige eingestellt – in ihrer Heimat herrschte Bürgerkrieg. Ruqia Hosh verkaufte ihren Schmuck, um ihre Familie über Wasser zu halten; nahezu anderthalb Jahre. Dann war sie pleite. Die Frau beantragte im Januar 1992 Sozialhilfe bei der Stadt Bonn. Die lehnte den Antrag der Diplomatin ab. Die Frau klagte. Das Verwaltungsgericht in Köln gab der Frau in erster Instanz recht. Nach dem Urteil der Bundesrichter muß das Kölner Gericht nun prüfen, ob die Diplomatin unter die Ausnahmeregelung fällt.
Die Rechtsdirektorin der Stadt Bonn legte sich auf die Position des Auswärtigen Amtes fest, wonach Diplomaten keine „normalen Ausländer“ seien, die in die deutsche Sozialversicherung einzahlten, demzufolge könnten sie auch keine Leistungen beantragen. Die Herkunftsländer allein seien verantwortlich für ihren Unterhalt. Rechtsanwältin Helga Gebhard-Riemel verwies dagegen darauf, daß 1990 in Somalia Bürgerkrieg herrschte und das Land vom UNHCR als „handlungsunfähig“ angesehen wurde. „Es ging 1990 schlichtweg um das nackte Überleben der Familie“, sagte sie. Vielen Botschaftsangehörigen geht es ähnlich, vor allem afrikanische Vertretungen stecken tief in Schulden. Annette Rogalla
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen