„Allmählich tut sich was“

■ Ökologisches Bauen etabliert sich – ganz langsam. Denn Ökobau ist teurer und zeitaufwendig. In der Architekten-Ausbildung wird er nur wenig berücksichtigt. Und viele Bauherren sind noch skeptisch

Ökologisches Bauen spielt für die meisten Bauherren und Architekten noch kaum eine Rolle. Denn die Energiepreise sind nach wie vor niedrig, Umweltkatastrophen direkt vor der Haustür meist nicht unmittelbar spürbar. Und doch: Gerade im Bausektor gibt es viele Möglichkeiten, in punkto Ökologie neue Maßstäbe zu setzen. „Ökologischer Hausbau bezieht sich auf zwei Bereiche: Zum einen sollte man einen möglichst geringen Energieverbrauch beim Betrieb des neuen Gebäudes im Auge haben. Zum anderen geht es darum Baustoffe zu verwenden, die durch eine gute Ökobilanz überzeugen“, sagt Jan Jakob von der Architektengemeinschaft „A3“ in Berlin-Mitte.

Ökologisches Bauen etabliert sich bisher sehr langsam. Das hat viele Gründe. „Das fängt bereits bei der Ausbildung an. Das Thema ökologisches Bauen wird im Studium nur wenig berücksichtigt“, so Bernd Nicolai, Gastprofessor für Baugeschichte an der Technischen Universität Berlin (TU). „Viele Professoren sind im Denken ihrer Generation verhaftet und haben andere Vorstellungen von Architektur.“ Die Notwendigkeit ökologischen Bauens sei vielen seiner Kollegen noch nicht ausreichend ins Bewußtsein gedrungen.

Das bestätigt Nicolette Baumeister von der Architektenkammer Berlin: „Wir haben einige Mühe, unsere Seminare zum Thema ökologisches Bauen vollzubekommen. Nur wenige Architekten interessieren sich dafür.“

Für Architekten und Planer bedeutet ökologisches Bauen und Planen unter den gegenwärtigen Umständen einen großen Zeitaufwand. Zunächst müssen die potentiellen Bauherren von ökologischen Baukonzepten überzeugt werden. Zudem sind viele Baufirmen mit der Verarbeitung ökologischer Baustoffe nur wenig vertraut.

„Das erfordert einen erhöhten Organisations- und Kontrollaufwand der Architekten“, so „A3“- Architekt Jakob. „Zudem kostet es Zeit, seine Kenntnisse auf dem ökologischen Baustoffmarkt, der sich rasch weiterentwickelt, kontinuierlich aufzufrischen.“ Daneben fehle es an Erfahrungen bei der Verarbeitung der alternativen Baustoffe, schätzt der Architekt Manfred Ruprecht. „Viele Bauherren sind nicht experimentierfreudig. Doch das ist die Voraussetzung für innovatives, umweltverträgliches Bauen“, sagt er.

Hohe Investitionen

Ökologisches Bauen ist oft mit höheren Investitionskosten verbunden als konventionelles. „Die Kosten sind der entscheidende Faktor. Deshalb müßte der Staat Anreize schaffen. Zum Beispiel in Form von Zuschüssen, die die höheren Kosten beim ökologischen Bau ausgleichen“, erläutert Ruprecht.

Diese Möglichkeit sieht Petra Reetz, Sprecherin der Senatsbauverwaltung, jedoch nicht: „Ökologisches Bauen ist teures Bauen. Das können sich nur potente Bauherren leisten. Uns fehlt das Geld.“ Angesichts der angespannten finanziellen Lage und eines Fehlbestandes von mindestens 80.000 Wohnungen müsse der Senat andere Schwerpunkte setzen.

Obwohl sich das Thema Ökobau nur langsam etabliert, wird ihm inzwischen mehr Aufmerksamkeit geschenkt. „Es bewegt sich überall etwas: Bei den Herstellern, den Verbrauchern und den jungen Architekten. Das Bewußtsein steigt. Es muß sich aber noch mehr ausbreiten“, konstatiert Renate Seifert, zuständig für die Pressearbeit des Baustoffherstellers Ytong. Wichtige Informationen darüber, wie man die Umweltbelastungen verringern kann, bieten die Ökobilanzen von Rohstoffen.

Die Ytong AG beispielsweise, Hersteller von Baustoffen aus Porenbeton, hat nach Angaben Seiferts die erste umfassende Ökobilanz vorgestellt, die nach den Maßgaben des Umweltbundesamtes erarbeitet wurde. Erfaßt werden in dieser Bilanz die Umwelteinwirkungen des Baustoffes über seinen gesamten Lebensweg: Von der Rohstoffgewinnung über die Produktion, den Bau und den Gebrauch des Hauses bis zur Entsorgung, einschließlich aller Transportwege.

Der Lebensweg des Produkts wurde im Hinblick auf folgende Wirkungskriterien untersucht: Auf die Auswirkungen auf den Menschen, auf den Treibhauseffekt, den Ozonabbau, die Versauerung, die Einwirkungen auf das Wasser durch Gifte und durch unerwünschte Nährstoffzufuhr. Demnach, sagt die Firma, könne Ytong als ökologischer Baustoff gelten. „Mit diesem Baustoff werden hervorragende Werte im Wärmeschutz ohne Zusatzdämmung erreicht“, interpretiert Seifert das Ergebnis der Ökobilanz, „Auch sonst – von den Rohstoffen bis zum Recycling – hat das Produkt sehr gute Werte erreicht.“

Andere Wertigkeiten

Doch nach wie vor, so Seifert, werde beim Ökologischen Bauen von Bauherrenseite immer gefragt, ob sich das denn rechne. „Beim Einbau einer Küche für 30.000 Mark fragt niemand, ob sich das rechnet. Es ist notwendig, die Wertigkeiten zu verschieben“, fordert Renate Seifert.

Bisher sind umweltfreundliche Baustoffe oft noch teurer als die konventionellen Konkurrenzprodukte. Dennoch werden seit einigen Jahren beispielsweise Ökodämmstoffe immer mehr verwendet. „Der Marktanteil von Zellulosedämmstoffen liegt inzwischen bei etwa zwei Prozent. Und da ist noch was drin. Bei den Schüttdämmstoffen aus Holzfasern, die demnächst auf den Markt kommen, erwarte ich eine noch größere Nachfrage“, so Carola Zellmer, technische Beraterin bei der Gesellschaft für soziales und experimentelles Bauen, einer Tochtergesellschaft der Stattbau GmbH.

In den technischen Werten können die Öko-Baustoffe mit den konventionellen mithalten und sind teilweise sogar besser. „Styropor beispielsweise hat fast keine Schalldämmeigenschaften. Faserdämmstoffe dagegen bieten eine gute Schalldämmung“, erklärt Zellmer. Nach ihren Angaben drängen inzwischen immer mehr große Unternehmen in den Ökobaustoffmarkt. „Das wird das Ganze sicherlich vorantreiben.“ „In Zukunft sollten Häuser nur noch so gebaut werden, daß der größte Teil der Baumaterialien wiederverwertet werden kann“, meint Bernard Langfermann, Koordinator im Bauelementelager (BEL), einem Betrieb der Gesellschaft für Stadtentwicklung GmbH.

Im BEL, gegründet 1991, werden seit Herbst 1993 Bauelemente, die bei Häuserabrissen oder Modernisierungsmaßnahmen anfallen und normalerweise dann auf Deponien landen, handwerklich wiederhergerichtet. Die 65 MitarbeiterInnen, die sich hier im Rahmen von Arbeitsförderungsmaßnahmen weiterqualifizieren, bringen vor allem alte Türen, Holzfenster, Bodendielen und Deckenbalken sowie Sanitärelemente wieder auf Vordermann. Von dieser ökologischen Wiederverwendungsstrategie können alle Seiten profitieren. „Die Auftraggeber sparen Entsorgungskosten und die Käufer dieser Holzelemente erwerben Produkte, die es in solch einer Qualität heute oft gar nicht mehr gibt.“ Die Nachfrage nach „recycelten“ Kloschüsseln und alten Holztüren ist da. „Wir können über Aufträge nicht klagen.“ Volker Wartmann