Und ab ist der Lack

■ Die Wohnungsrenovierung, irgendwann führt kein Weg mehr dran vorbei. Aber wenn, dann richtig. Und ökologisch

Wir essen vegetarisch. Wir trinken promillearm. Wir rauchen ultralight. Wieso sollten wir uns Gift an die Wände und Türen streichen? „Umweltfreundlich renovieren“ lautete unser Motto.

Der Besuch beim Baumarkt beflügelte uns. „Die Farben und Lacke sind heute alle schadstoffarm“, sagte die Baumarktfrau. „Wenn Sie aber sicher sein wollen, kaufen Sie Umweltfarben.“ Klang logisch. Demonstrativ schritten wir zum Plakat, das die Umweltfarbe ankündigte. Wir wollten Vorbild und Vorreiter sein. Doch andere waren schneller geritten. Ausverkauft, neue Lieferung Dienstag. Also kauften wir normale Farben und Lacke. „Alles ist heute ungefährlich“, waren das nicht die Worte der Verkäuferin? Und richtig, auf den Farbdosen fand sich keine Angabe über die Inhaltsstoffe. Wo nichts Giftiges drauf steht, kann auch nichts Giftiges drin sein. Dachten wir. Abbeizer, Pinsel, Holzschutzmittel, Schleifpapier, zur Kasse und nach Hause. Dort schwangen wir die Holzschutzpinsel, zogen die Farbrolle.

Bei unserer Katze fing es an. Sonst die Geschicklichkeit in Tiergestalt, verfehlte sie beim Landeanflug den Kletterbaum und landete im Futternapf. Während ich noch schaute, schwankte meine Freundin schon auf der Leiter. Die Farbrolle entglitt ihr, zum Glück wurde ihr Sturz durch die Katze gedämpft. Vor meinen Augen zogen Emissionsschwaden auf. Im Fallen ergriff ich den Telefonhörer und wählte die Nummer der Verbraucherzentrale.

„Wie kann ich mensch-, tier- und umweltverträglich renovieren“, fragte ich, während ich meine linke Hand aus dem Abbeizertopf zog. „Beginnen sie im Frühjahr mit der Renovierung, damit Sie lüften können“, war die Antwort des freundlichen Herrn. Ich gestand, mittendrin zu sein, und beschrieb meine Materialien. „Holzschutzmittel können durch Borsalze ersetzt werden“, erfuhr ich. Mit der Frage nach umweltverträglichen Lacken erwischte ich den Herrn im ungünstigsten Augenblick: Bisher riet er zu Lacken mit dem blauen Umweltengel. Nach einer neuen Untersuchung von Öko-Test aber war er unsicher. (Öko-Test fand auch in Präparaten mit Umweltengel bedenkliche Stoffe). Daher: Naturfarben aus Spezialgeschäften. Die seien umweltverträglich, ihre Lösungsmittel, zum Beispiel aus Orangenschalen, könnten allerdings Allergien auslösen.

Überhaupt, schwierig, schwierig alles, hörte ich bei meinem nächsten Telefonat mit einem Laden für Ökobaustoffe. Mein wunderbares Kieferregal, wie furchtbar. Es wurde – vorgeblich naturbelassen – von der Firma mit Erdöl tiefenbehandelt. Streicht man Naturöl drauf, drängt das Erdöl nach draußen und die Platte ist verharzt.

Ich dankte und legte auf. Kein Königsweg führt zum umweltfreundlichen Renovieren. Nachdem ich abwechselnd Freundin und Katze beatmet hatte, griff ich erneut zum Telefonhörer. Und rief meinen Zahnarzt an.

Vielleicht hilft weiter: Dammann, Rüdiger: „Öko-Ratgeber für Bauen und Renovieren“. rororo, Hamburg 1990, 15,90 DM. Lennart Paul