Über Wendeltreppen in den Fatalismus

■ Das Zeughaus-Kino zeigt eine Reihe mit Filmen des Regisseurs Robert Siodmak

Er gilt als einer der großen Stilisten des film noir, als Meister der artifiziellen Studiowelten, in denen er aus Licht und Schatten jene von Fatalismus geprägten psychologischen Krimis schuf, die für das amerikanische Kino der vierziger Jahre charakteristisch waren. „Ich hasse Außenaufnahmen – da gibt es so vieles, was man nicht kontrollieren kann“, hat Robert Siodmak einmal gesagt.

Aus dem Munde eines Regisseurs, dessen Karriere einst mit einem auf den Straßen Berlins gedrehten Film („Menschen am Sonntag“, 1929) begann, mag dies verwunderlich klingen. Doch schon Siodmaks zweiter langer Spielfilm, „Abschied“ (1930), ist vollständig im Studio gedreht und zeigt, was später auch die amerikanischen Produktionen auszeichnen wird: das Gespür für die Atmosphäre einer Geschichte, ihre Dramatisierung durch das Licht und die Wahl ausgefallener Kamerapositionen sowie einen innovativen Umgang mit dem Ton.

Der Untertitel von „Abschied“ verspricht „Ernstes und Heiteres aus einer Familienpension“: Erzählt wird von deren kauzigen Bewohnern: von Arbeitslosen, Tänzern und Bonvivants. Aus dem Durcheinander von Geschwätz, Klaviermusik und Telefonaten kristallisiert sich langsam die Hauptgeschichte heraus: Ein junger Mann hat sich einen neuen Job in Dresden genommen, sein Mädchen wird allein in Berlin zurückbleiben.

Mit Ausnahme eines kurzen Epilogs verläßt die Kamera nie die Pension, und Siodmak und sein Kameramann Eugen Schüfftan finden immer wieder ungewöhnliche Perspektiven: Türen eröffnen neue Räume in die Tiefe, der Vordergrund wird häufig durch Requisiten oder Personen, die unscharf im Anschnitt zu sehen sind, verstellt, und immer wieder treten Figuren in die Kadrage hinein oder hinaus. In einer der interessantesten Szenen ist das Liebespaar gar nicht zu sehen: Der Dialog kommt aus dem Off, während Zigarettenqualm langsam zur Decke steigt.

Neben „Abschied“ (4.3.) und „Voruntersuchung“ (5.3.), einem kammerspielartigen Kriminalfilm, in dem der Sohn eines Richters fälschlicherweise in Mordverdacht gerät, zeigt das Zeughaus-Kino im März auch Filme aus Siodmaks amerikanischer Exilzeit: „Son of Dracula“ von 1943 (25.3.) gilt als eines der gelungensten Sequels innerhalb des Horrorzyklus der Universalstudios.

Zu Siodmaks bekanntesten Filmen gehört der 1945 gedrehte „The Spiral Staircase“ (11., 12.3.), ein old-dark-house-Thriller um einen psychopathischen Mörder, der bevorzugt behinderte Frauen umbringt. Siodmak und sein Kameramann Musuraca, ein Meister des low-key-Lichts, setzen die verwinkelten Korridore, die alptraumhaften Zimmerfluchten mit den endlos vielen Spiegeln und die Treppe, die in den finsteren Keller führt, effektiv in Szene. Gewitter und Dunkelheit steigern die beunruhigende Atmosphäre des Films, dessen berühmteste Einstellung wohl die Kamerafahrt auf das Auge des Psychopathen ist, in dem sich seine Mordopfer spiegeln.

Auch „The Killers“ von 1946 (19.3.) zeigt Siodmak auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Der erste Teil dieses archetypischen film noir beruht auf einer Kurzgeschichte von Ernest Hemingway: Kaum jemals zuvor wurde im Kino ein derartiger Fatalismus gezeigt wie in jenen Sequenzen, in denen Burt Lancaster (in seiner ersten Filmrolle) regungslos im Dunkeln auf seinem Bett liegt und darauf wartet, von zwei Killern erschossen zu werden. In film noir-typischen Rückblenden rollt ein Versicherungsdetektiv die Geschichte des Mordopfers auf: Höhepunkt ist die mehrminütige Sequenz eines Raubüberfalls, die Siodmak in einer einzigen Einstellung gedreht hat.

Nach den Dreharbeiten zu „The Crimson Pirate“ (1952) war Siodmak in Europa geblieben und arbeitete ab 1955 auch wieder in Deutschland. „Die Ratten“ (1955; 26.3.) und „Nachts, wenn der Teufel kam“ (1957; 3., 4.3.) waren die einzigen Filme seines Spätwerks, auf die er selbst stolz war. Gerhart Hauptmanns tristes Drama um eine junge Frau, die ihr Baby verkauft und schließlich verrückt wird, wurde von Siodmak in die Nachkriegszeit verlegt und entwickelte sich ob der Zeitbezüge – und weil niemand auf der Leinwand so schön leiden konnte wie Maria Schell – zu einem großen Publikumserfolg.

„Nachts, wenn der Teufel kam“ zeigt, wie in der Zeit des Dritten Reichs verschiedene Personen in die Mühlen der SS geraten: Ein tumber Massenmörder, ein Kommissar mit der Devise „Ducken und überrollen lassen“ sowie ein jovialer Nazi. Lars Penning