Freiwillige sind unbezahlbar

Hilfsorganisationen klagen über nachlassendes unentgeltliches Engagement. Oft aber sind hausgemachte Probleme und mangelnde Integration daran schuld  ■ Von Bernd Kastner

„Es zählt immer mehr nur der, der schnell viel Geld verdient“, klagt Susanne Arabi, Sprecherin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Berlin. „Ehrenamtliches Engagement ist wenig anerkannt.“ Das Klagelied ist bekannt: Im Zeitalter der Individualität scheinen immer weniger bereit zu sein, ohne Lohn ihre Freizeit für die Allgemeinheit zu opfern, sei es nun im Sozialen, im Politischen oder im Sportbereich.

Dabei vermag niemand den Wert der ehrenamtlichen Arbeit in Geld auszudrücken. „Es wäre unbezahlbar“, betont Arabi, wenn die gut 2.000 Berliner DRK-HelferInnen, ob nun im Bereitschaftsdienst auf Rockkonzerten oder beim Blutspenden, durch bezahlte Kräfte ersetzt würden. Läßt das Engagement nach, ist der Sündenbock schnell ausgemacht: die Gesellschaft, der Zeitgeist.

„Dem ist nicht so, ganz im Gegenteil“, sagt Carola Schaaf-Derichs vom „Treffpunkt Hilfsbereitschaft“, Gemeinschaftsverwirklichung sei längst nicht „out“, an Bereitschaft zum Helfen mangle es nicht. In Zeiten der Rezession verzeichne sie sogar vermehrtes Engagement. Der „Treffpunkt“ bietet Hilfe zum Helfen an: Aus einem Netzwerk von 300 sozialen Organisationen – von der kleinen Bürgerinitiative bis zur renommierten Aids-Hilfe – präsentieren die ProjektmitarbeiterInnen den potentiellen AktivistInnen eine Auswahl. Die willigen Helfer suchen sich dann eine Tätigkeit aus, die ihren Vorstellungen entspricht. „Wir kommen mit unseren Beratungen kaum noch nach“, sagt Carola Schaaf-Derichs. Nicht wenige, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind, bereiteten sich gezielt darauf vor – wenn schon ohne Job, dann wollen sie wenigstens nicht auch noch ohne Arbeit dastehen.

Für Schaaf-Derichs sind es vor allem hausgemachte Probleme, die gerade große, traditionelle Institutionen über mangelndes Engagement klagen lassen: Ehrenamtliche Arbeit werde nicht genügend gewürdigt, die HelferInnen würden zuwenig integriert. „Viele werden verprellt, wenn man sich nicht richtig um sie kümmert“, warnt Schaaf-Derichs. Deshalb vermittelt der „Treffpunkt“ nur an Organisationen, die einen Ansprechpartner für Ehrenamtliche haben und genau beschreiben können, was sie von ihnen erwarten.

Zum Beispiel, daß sie Seite an Seite mit hauptamtlichen Kräften arbeiten. Eine Konstellation, die oft weniger Kooperation als vielmehr Konflikte fördert, weiß der Sprecher des erzbischöflichen Ordinariats, Andreas Herzig. „Oft stöhnen Pfarrer über die viele Arbeit, gehen aber nicht auf die Ehrenamtlichen zu.“ Folge: „Die Ehrenamtlichen kommen sich manchmal überflüssig vor.“

Wie also richtig mit Hilfsangeboten umgehen? Die Frage beschäftigt auch Wolfgang Siegmann von der Diakonie. „Wir sind dabei, neue Konzepte zu erarbeiten.“ Man müsse die freiwillig Engagierten ernster nehmen, ihnen Aufgaben anbieten, bei denen ein Ende in Sicht ist. In zeitlich beschränkten Projekten sieht er eine für beide Seiten vielversprechende Aktionsmöglichkeit.

Eine Motivationsspritze erhofft sich mancher Verantwortliche aber auch von außen, vom Staat. Susanne Arabi vom DRK etwa wünscht sich BVG-Freifahrten für den Krankenhaus-Besuchsdienst als symbolische Anerkennung der Gesellschaft. Der Direktor des Berliner Landessportverbandes, Norbert Skowronek, geht noch weiter: Ehrenamtliche Jugendarbeit solle als Ersatzdienst anerkannt werden, wie etwa beim Technischen Hilfswerk. So hofft er die im Sport klaffende Lücke zu schließen. Zwar engagieren sich immer mehr BerlinerInnen in den 1.800 Sportvereinen der Stadt, rund 35.000 sind es. Doch ihnen stehen weit über eine halbe Million „einfache“ Mitglieder gegenüber, die „nur“ Sport treiben wollen. Und ihre Zahl wächst fast dreimal so schnell – um über zwei Prozent.

Treffpunkt Hilfsbereitschaft, Märkisches Ufer 28, 10179 Berlin-Mitte, Tel. 2793994