Die Ritter der eigenen Überzeugung

■ Zwei Beispiele für ehrenamtliches Engagement: Ein Heilssoldat sorgt sich um Gerechtigkeit und Seelenheil, ein Umweltaktivist glaubt an seine politischen Utopie

Peter Maiwald ist Soldat. Mit Leib und Seele, vor allem mit Seele. „Die Uniform zieht man nicht nur an, weil's schick aussieht“, sagt er. Maiwald ist Soldat der Heilsarmee, und den Kampf für den Glauben führt er unentgeltlich. Sonntag für Sonntag zieht er seine marineblaue Uniform an, öffnet die Gemeinderäume in Friedenau und gibt Terrinen an Bedürftige aus. Was sich wie Suppe anhört ist ein komplettes Essen, mit anschließendem Kaffee und Kuchen.

„Man freut sich, anderen Menschen helfen zu können“, sagt der 51jährige Heilssoldat. Hinter der großen, dickrandigen Brille leuchten die Augen. Dank seiner Eltern ist er von Geburt an reingewachsen in die Heilsarmee. Den Tag seiner „Bekehrung“, an dem er den „richtigen Glauben“ fand, vergißt er nie: „Ich habe gebetet zum Herrn, bin aufgestanden und war ein anderer Mensch.“ 14 Jahre alt war er damals. Heute ist er einer von rund 40 ehrenamtlichen Soldaten in Berlin, die ihr Glauben kämpfen läßt – gegen Elend und Not, für Gerechtigkeit und das Seelenheil. Peter Maiwald holt den „Kriegsartikel“ hervor, das Gelübde der Heilssoldaten. Er durfte es erst 1990 offiziell unterschreiben, weil die DDR die Heilsarmee, eine der evangelischen Freikirchen, verboten hatte. Seit der Wende liefert er auch jeden Monat freiwillig den Zehnten seines Gehalts – Maiwald ist Feuerwehrmann – an seinen Korpsoffizier ab.

Längst haben sich seine beiden Söhne damit abgefunden, daß der Sonntag der Heilsarmee gehört. Daß sie dafür nicht zu begeistern sind, akzeptiert Maiwald. Daß aber seine Frau gleich nach dem ersten Mal Reinschnuppern „klebengeblieben ist“, freut ihn um so mehr. Und so sitzt das Ehepaar jeden Sonntag mit gut 20 Obdachlosen am Tisch, redet mit ihnen über Gott und die Welt.

Nein, Mitleid hat er nicht mit den „Pennern“. Lieber macht er sich jeden Tag klar, „daß ich selbst morgen schon dazu gehören kann“. Und geringgeschätzt hat er auch noch keinen von ihnen. „Sonst würde ich sofort mit der Terrine aufhören.“ So ist es für ihn die größte Freude, wenn „seine“ Obdachlosen „Danke“ sagen – auf ihre Weise. Im Advent haben sie alle zusammen in einer Gemeindeversammlung ein Lied gesungen. „Da kriegt man 'ne Gänsehaut.“

Was bei Gotteskämpfer Maiwald der Glaube an Gott ist, ist bei Felix Beutler der Glaube an eine politische Utopie, die ihn kämpfen läßt. Kämpfen gegen Autoflut und Straßenwahn, für eine umweltverträgliche Verkehrspolitik. Und seine größte Freude ist es, wenn „irgendwas nicht funktioniert“, was die Autolobby angestrebt hat. Beutler ist Sprecher des Arbeitskreises Verkehr beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Und Mitglied der Grünen. Und Mitglied in der Städtepartnerschaft Kreuzberg/San Rafael del Sur. Und und und. Multiaktivist ist der 28jährige Politologiestudent und ein „Weltverbesserer“. Das gibt er selbstironisch zu. „Es geht mir darum, die Gesellschaft zu verändern.“ Zum Beispiel mit einem zukunftsorientierten Verkehrskonzept. Nicht zufällig ist seine Diplomarbeit überschrieben mit „Von der Automobilität zur Multimobilität“.

Noch ist es Hobby, was vielleicht bald schon Beruf sein wird. Jetzt aber ist der Student zwei, drei Abende pro Woche mit dem BUND beschäftigt. Gesellige Abende in der Kneipe nach Sitzungen eingeschlossen. „Ich wäre nicht so lange dabei geblieben“, sagt Beutler, „wenn es menschlich in der Gruppe nicht so funktionieren würde.“

So artete das Engagement für die Umwelt allenfalls dann in Streß aus, wenn ein Termin den anderen jagt, eine Aktion ihrem Höhepunkt entgegensteuert, die Presse Auskünfte will. „Das ist aber auch eine Art Stimulus. Es hält einen so 'n bißchen unter Strom.“ Und wenn beim Umwelt-Aktivisten sogar das Fernsehen anklopft, „dann schlafe ich auch mal schlecht“.

Geht der Seelen-Aktivist Peter Maiwald an die Öffentlichkeit, sind TV-Kameras nicht dabei. Eher schon wird er „belächelt, beschimpft, verspottet“, wenn er seine Überzeugung so offensichtlich zur Schau stellt. Jeden Dezember zum Beispiel. Da nimmt er Urlaub, um auf „Wirtschaftsmission“ zu gehen: In voller Montur zieht er durch Kneipen, versucht die Zeitschrift Der Kriegsruf zu verkaufen und Geld zu sammeln. Wer genau hinsieht, erkennt an den Schulterklappen, daß er einfacher Soldat ist. Er hätte wohl die Offizierslaufbahn eingeschlagen, wäre da nicht die DDR gewesen. „Auf jeden Fall“, sagt Maiwald. Und fügt lächelnd, aber auch wehmütig hinzu: „Dann wäre ich jetzt schon Major.“ Bernd Kastner