Berlin kann Theaterschließung aushalten

■ Interview mit Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD): Weiterer Abbau des sozialen Wohnungsbaus nicht ausgeschlossen. Studienplätze zu teuer. Alle Großprojekte überprüfen. Theater-Subventionen

taz: Heute begibt sich der Senat in seine Sparklausur, um den Nachtragshaushalt zu beraten. Sind Sie zufrieden mit dem, was etwa Wissenschaftssenator Peter Radunksi (CDU) oder die frühere SPD-Spitzenkandidaten Ingrid Stahmer vorgelegt hat?

Annette Fugmann-Heesing: Ich mache ja nicht meinen ersten Landeshaushalt. Aber ich bedauere schon, daß manche Kollegen im Senat nicht den Beitrag erbracht haben, der ihnen vorgegeben wurde.

Ich habe kein Verständnis, wenn etwa Herr Radunski keine Vorschläge einreicht, sondern alles bis zur Klausurtagung aufschiebt. Es geht doch um die zentrale Frage: Wollen wir diese Stadt wieder zukunftsfähig machen?

Sie haben angemahnt, Berlin müsse von seinen zum Teil sehr hohen Standards herunter. An welche Standards denken Sie?

Wir haben in vielen Bereichen eine bessere Ausstattung als in anderen Städten oder Ländern. Das beginnt mit den zu hohen Baukosten, geht weiter über die überdurchschnittliche Personalausstattung bis hin zu den vergleichsweise niedrigen Gebühren. Nehmen Sie als Beispiel die Stadtbäder: Bei den vorhandenen Quadratmetern Wasserfläche pro Benutzer liegt Berlin über dem Durchschnitt anderer Großstädte.

Muß der soziale Wohnungsbau heruntergefahren werden?

Aufgrund der neuen Finanzlage müssen wir leider sagen: Nicht alles, was noch vor wenigen Wochen die Koalition vereinbart hat, ist machbar. Ich kann mir durchaus vorstellen, daß in der Klausurtagung darüber diskutiert wird, ob die ursprünglich vereinbarten Förderzahlen im sozialen Wohnungsbau so noch zu halten sind. Schließlich müssen wir auch berücksichtigen, daß der Druck auf den Wohnungsmarkt nachgelassen hat.

Der parlamentarische CDU- Geschäftsführer Volker Liepelt spricht davon, die „Hauptsäule der Haushaltspolitik“ sei die Veräußerung von Landesvermögen. Soll über die Bewag-Anteile hinaus noch mehr verkauft werden?

Veräußerung an sich ist keine Konsolidierung, sondern nur ein Mittel, zu dem man in der Not greift. Verkäufe entbinden uns nicht von der Notwendigkeit, Ausgaben zu verringern und Einnahmen zu erhöhen. Dennoch sind weitere Veräußerungen nötig, etwa bei der Bankgesellschaft Berlin. Ein geringes Paket gibt es noch bei der Gasag.

Wie steht es mit der Stadtreinigung, der BVG?

(lacht) Den möchte ich mal sehen, der die BVG kauft. Nein, der öffentliche Nahverkehr steht nicht zur Debatte.

Geht es auch um den Verkauf von Wohnungsbaugesellschaften?

Ich kann nicht ausschließen, daß dieses Thema Gegenstand der Sparklausur wird. Dafür gibt es ja Anzeichen bei der CDU. Andererseits: Wir müßten erst einmal interessierte Bewerber haben. Wohnungsbaugesellschaften an sich sind ja keine Objekte, die besonders hohe Erträge garantieren.

Wie wollen Sie erreichen, daß die Baukosten gesenkt werden?

Mich wundert, daß es in Berlin keine Verzahnung von Bau- und Finanzplanung gibt. Derzeit baut Berlin an jeder Straßenecke. Weil aber Geld fehlt, werden die Bauzeiten über Monate und Jahre gestreckt. Das macht das Bauen insgesamt natürlich teurer.

Wir müssen uns in der Koalition deshalb darauf verständigen, die Bauzeiten zu verkürzen. Entscheiden wir uns für diesen Weg, brauchen wir klare Prioritäten. Angesichts der Finanzlage sehe ich aber nicht, daß in diesem Jahr überhaupt noch ein neues Projekt begonnen wird.

Wie steht es mit der vierten Ausbaustufe bei den Messehallen, der Wasserstadt Oberhavel?

Auch laufende Großprojekte müssen unter dem Gesichtspunkt überprüft werden: Bis hierher und nicht weiter. Der Rest kann ja möglicherweise später verwirklicht werden. Das betrifft die Wasserstadt, den Messeausbau, aber auch die geplante Olympia- Schwimmhalle.

Sie haben die Aufgabe, dieses Jahr 5,3 Milliarden und nächstes Jahr 10,4 Milliarden Mark einzusparen. Als Finanzsenatorin wissen Sie, daß das gar nicht geht. Welches Volumen erwarten Sie am Wochenende?

Ich gebe mich überhaupt nicht der Illusion hin, aus einem laufenden Haushalt von 44 Milliarden einfach 5 Milliarden herauszuschneiden. Wir werden deshalb einen erheblichen Teil über Vermögensveräußerungen decken müssen. Für den jetzigen Nachtragshaushalt haben wir eine Summe von 2,1 Milliarden als Einsparsumme vorgegeben. Mein Ziel für 1997 ist es aber, im Landeshaushalt über diese Summe hinauszugehen.

Der Sparkurs, so die Befürchtung vieler Menschen, treffe die sozial Schwachen. Wo werden die Besserverdienenden ihren Beitrag leisten?

Sozial gerechtes Sparen heißt für mich, alle Bereiche mit einzubeziehen. Da kann es keine Ausnahmen geben. Auch die sogenannte Hochkultur, Wissenschaft und der Sport müssen daher Opfer bringen. Nehmen wir nur den Wissenschaftsbereich, der in Berlin besonders gut ausgestattet ist. Im Vergleich zu anderen Großstädten kostet hier beispielsweise ein Studienplatz deutlich mehr.

Sollen also Universitäten zusammengelegt werden?

Doppelangebote müssen verstärkt abgebaut werden. Da wäre es wünschenswert, wenn die Universitäten mit eigenen, kreativen Vorschlägen ihren Beitrag leisteten. Gute Angebote müssen wir erhalten, in dem wir an anderer Stelle unnötige Kostenstrukturen abbauen.

Würde Berlin Schaden nehmen, wenn man ein weiteres Theater, etwa das Metropol, schließt?

Ich glaube nicht, daß Berlin Schaden leiden würde. Der Kultursenator Radunski muß darüber nachdenken, mit welchen Maßnahmen er es schafft, in der Theater- und Opernszene die zum Teil sehr hohen Subvention pro Platz herunterzufahren. Ein Beitrag wäre die Erhöhung von Eintrittspreisen.

Wir haben drei Opern in Berlin, die derzeit nebeneinander und gegeneinander arbeiten. In Zeiten voller Kassen ist dies wunderbar. Jetzt aber muß es darum gehen, Spielpläne oder Premieren aufeinander abzustimmen.

Man muß auch darüber nachdenken, ob man nicht operative Bereiche zusammenlegt. Warum muß jede Oper ihre eigene Werkstatt haben? Ich gebe ihnen ein anderes Beispiel: Der Friedrichstadt- Palast wird jährlich mit 16 Millionen subventioniert. Dieser Betrag kann, bei klaren Vermaktungsstrategien, deutlich reduziert werden. Interview: Severin Weiland

Dirk Wildt