■ Den Haag: Anklage gegen Serben-General Djukić erhoben
: Alle Finger zeigen auf Milošević

„Es ist mein klares Verständnis, daß Milošević nicht im Blick des Kriegsverbrechertribunals ist.“ Der Bosnien-Vermittler und Architekt des Friedensabkommens von Dayton, Richard Holbrooke, wird seine Aussage vom Vormonat nicht mehr lange aufrechterhalten können. Die Anklageerhebung gegen den bosnisch-serbischen General Djorde Djukić vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag bringt Milošević wieder in die Schußlinie. Ein Umstand, der Politiker und Diplomaten ins Schwitzen bringen dürfte, ist Milošević für sie doch der Garant für die Umsetzung des Dayton-Abkommens und die Disziplinierung der bosnischen Serben. Aber selbst die internationale Diplomatie wird das doppelte Spiel von Milošević auf Dauer nicht verschleiert können.

Djorde Djukić ist General der regulären jugoslawischen Armee. Seine Militärpapiere sind in Belgrad ausgestellt und abgestempelt. Er organisierte die Logistik der bosnisch-serbischen Armee. Der Transfer von Waffen und Soldaten von Serbien nach Bosnien war seine zentrale Mission. Und er war direkt dem Generalstabschef der jugoslawisch-serbischen Armee untergeordnet. Im Jahr 1995 notierten UNO-Beobachter an der serbischen Grenze die Lieferung von 512 Panzern, 506 Armeelastwagen, 386 Munitionstransportern, 120 schweren Mörsern, 130 Kanonen, 48 Raketenwerfern und Tonnen von Benzin nach Bosnien. Und das, obwohl Milošević der Welt im August 1994 versprochen hatte, „militärische und politische Sanktionen“ gegen die bosnischen Serben zu verhängen. Milošević belog die internationale Gemeinschaft, und diese ließ sich belügen. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen war über die bis Juli 1995 fortgesetzten Waffenlieferungen unterrichtet und hüllte sich in Schweigen.

Die jugoslawische Armee hat den Krieg in Bosnien über Jahre geführt und fortgesetzt. Die Verantwortung dafür trägt niemand anderes als Slobodan Milošević. Wenn die Ermittler von Den Haag ihre Glaubwürdigkeit behalten wollen, dann müssen sie endlich auch Milošević auf die Anklagebank setzen. Die politischen Widerstände aber sind groß. Auch die Bundesregierung hat bisher kein Geld für die Arbeit des Kriegsverbrechertribunals zur Verfügung gestellt. Ein Skandal mehr in dieser Chronik von Lügen, Unterlassungen und Vertuschungen. Um der vielen tausend unschuldigen Opfer willen, Richard Holbrooke darf nicht recht behalten. Georg Baltissen