„Durch Aufträge Arbeitsplätze sichern“

■ Außenminister Kinkel in Bangkok über Freihandel und deutsche Außenwirtschaftspolitik

taz: Wer ist derzeit protektionistischer, Asien oder Europa?

Kinkel: Protektionistische Tendenzen gibt es hier wie dort. Aber: Es ist ein ganz wichtiges Ziel der deutschen Außenwirtschaftspolitik, für weltweite Liberalisierung und Öffnung der Märkte und damit auch gegen Protektionismus einzutreten. Auch die EU verfolgt eine liberale Außenwirtschaftspolitik. Im übrigen sind beide Regionen stark exportorientiert, es liegt also im beiderseitigen Interesse, ihre jeweiligen Märkte zu öffnen.

Warum handelt die EU Jahr für Jahr mit Japan ein Selbstbeschränkungsabkommen aus, das die japanischen Autoexporte künstlich niedrig hält?

Hier handelt es sich um ein Relikt aus der Zeit vor der Herstellung des Binnenmarktes. Bis 1999 werden alle Beschränkungen aufgehoben. Vor dem Binnenmarkt hatten einige Mitgliedstaaten der EU Kontingente für Importautos aus Japan festgelegt. Im übrigen hat die EU seit Ende 1994 über 6.000 mengenmäßige Beschränkungen der einzelnen Mitglied- staaten aufgehoben. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, daß auch die noch verbliebenen 15 Kontingente abgebaut werden.

Ist es nicht perfide, wenn die EU ihren Protektionismus auch noch als Wettbewerbspolitik ausgibt, etwa, indem sie billige chinesische Waren wegen „Dumpings“ nicht nach Europa hereinläßt?

Nein! Anti-Dumping-Maßnahmen dienen der Herstellung fairer Wettbewerbsbedingungen. Sie unterliegen strengen WTO-Regeln (WTO: Welthandelsorganisation, d. Red.), die die EU genau einhält. Das heißt, Anti-Dumping-Maßnahmen können nur dann angewendet werden, wenn ein Schaden für europäische Industrien durch Preis-Dumping nachgewiesen ist. Standortvorteile von Partnerländern dürfen natürlich kein Anlaß für Anti-Dumping-Maßnahmen sein. Ein Verzicht nauf Anti-Dumping-Maßnahmen wird erst möglich sein, wenn weltweit gleiche Wettbewerbsregeln gelten. Daran arbeiten wir.

Kann man es noch Freihandel nennen, wenn die deutsche Regierung in Asien den Zuschlag für deutsche Industrieprojekte organisiert, wie etwa für die Vergabe des U-Bahn-Baus in Shanghai an ein deutsches Konsortium unter der Führung von Siemens?

Es ist weltweit üblich, daß Regierungen ihre Unternehmen bei der Vergabe von Großprojekten unterstützen, auf deren Vergabe die Partnerregierungen entsprechenden Einfluß haben. Dies tun auch wir. Dabei spielt für uns auch eine wichtige Rolle, daß durch solche Aufträge in der Bundesrepublik Arbeitsplätze gesichert werden, darüber hinaus wird aber durch Übertragung hochwertiger deutscher Technologie und Erfahrungen auch den Partnerländern in ihrer Entwicklung entscheidend geholfen.

Wie läuft der Gipfel bisher?

Europa und Asien wissen um die Bedeutung jeweils füreinander. Es geht um Wirtschaftsfragen, UNO-Politik, Drogen- und Umweltschutzprobleme. Die Konferenz wird sicher einige Ergebnisse in der Substanz bringen. Es darf keine Konferenz sein, die verpufft.

Was heißt es eigentlich, wenn „Menschenrechtsfragen angesprochen“ werden? Ist das ein Satz, ein Absatz in einer Rede oder ein echter Dialog?

Natürlich werden vor allem auch in den bilateralen Gesprächen Menschenrechtsfragen behandelt. Es muß möglich sein, unter Partnern alle Fragen anzusprechen. Dies muß allerdings in der richtigen Form geschehen. Ich habe bereits vor Jahren einen Menschenrechtsdialog auf partnerschaftlicher Ebene insbesondere mit meinen Kollegen aus China und Vietnam vereinbart. Ein solcher Dialog wurde auch mit Malaysia und Indonesien durchgeführt und hat sich als ausgesprochen konstruktiv und hilfreich bewährt. Wir werden ihn fortsetzen! Er hat in zahlreichen Fällen konkreter Menschenrechtsverletzungen zu Lösungen geführt. Interview: Christian Rath