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Tatverdacht von Lübeck per Lauschangriff erhärtet

■ Staatsanwaltschaft ließ verhafteten Libanesen im Gefängnis überwachen

Lübeck (taz) – Mit einem Lauschangriff im Knast hat die Lübecker Staatsanwaltschaft den dringenden Tatverdacht gegen den mutmaßlichen Brandstifer der Asylbewerberunterkunft in der Lübecker Hafenstraße erhärtet. Sechs Unterhaltungen des in Untersuchungshaft sitzenden Libanesen Safwan E. mit Besuchern von Anfang Februar bis Mittwoch seien abgehört worden, sagte Staatsanwalt Klaus-Dieter Schultz am Donnerstag abend in Lübeck. Einzelheiten der Gesprächsinhalte wurden nicht mitgeteilt. Der Anwalt des 21jährigen, Hans-Jürgen Wolter teilte mit, daß Gespräche mit seinem Vater, zwei seiner Brüder und zwei Freunden abgehört wurden. Allerdings sind nach Angaben von Wolter die Gesprächsaufzeichnungen zum Teil unvollständig, zum Teil anscheinend nicht richtig übersetzt worden. Sein Mandant bestreite nach wie vor, das Feuer in der Asylbewerberunterkunft in der Lübecker Hafenstraße gelegt zu haben.

Safwan E. soll am 18. Januar das Feuer in dem Asylbewerberheim gelegt und damit den Tod von zehn Mitbewohnern verschuldet haben. Schultz erläuterte, daß ein Amtsrichter das Abhören nach Paragraph 100c der Strafprozeßordnung genehmigt habe. Der Paragraph war nach Angaben von Schultz im Zuge des Gesetzes zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität in die Strafprozeßordnung eingefügt worden. Bei erheblichen Vorwürfen wie Mord oder besonders schwere Brandstiftung darf abgehört werden.

Angewandt worden sei der Paragraph, „weil es für die Ermittlungen unerläßlich war, zu erfahren, was der Beschuldigte mit seinen Besuchern in der Justizvollzugsanstalt besprach“, so Schultz. „Da er einerseits die Tat bestreitet und andererseits Anhaltspunkte dafür vorlagen, daß Aussagen der früheren Bewohner des Hauses im Licht der erkennbaren Vorbehalte gegenüber den Ermittlungsbehörden betrachtet werden mußten“, begründete die Staatsanwaltschaft ihre Abhöraktion. Nach Angaben des Verteidigers wurden Safwan E. am Donnerstag bei einer Vernehmung Auszüge aus den Protokollen der aufgezeichneten Gespräche vorgehalten. Passagen, die die Staatsanwaltschaft als Indiz für die Täterschaft ansehe, stünden nach Erläuterungen von Safwan E. in einem anderen Zusammenhang, sagte Wolter. Auf einer Pressekonferenz in Hamburg erklärte gestern der Bruder des Verhafteten, Mohammed, er habe mit dem Inhaftierten nicht über den Anschlag gesprochen.

Oberstaatsanwalt Klaus Dieter Schultz erklärte gestern, er habe keine Anhaltspunkte dafür, daß der Dolmetscher falsch übersetzt habe. Die Ermittlungen seien zum größten Teil abgeschlossen. Anklage werde voraussichtlich in den nächsten Wochen erhoben. Kersten Kampen

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