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Schlag gegen AIZ vermasselt

Planung gut, Ausführung mangelhaft: Wie das Bundeskriminalamt zwei mutmaßliche Mitglieder der „Antiimperialistischen Zelle“ verfolgte und deren Festnahme vorbereitete  ■ Aus Berlin Gerd Rosenkranz

Der erste Schlag gegen mutmaßliche Mitglieder der „Antiimperialistischen Zelle“ (AIZ) am vergangenen Sonntag war offenbar von schweren Pannen begleitet. Nach Informationen der taz sollten Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) die beiden seit Monaten observierten verdächtigen Männer erst in unmittelbarem Zusammenhang mit einem weiteren Sprengstoffanschlag festnehmen. Um dabei eine Gefährdung Dritter auszuschließen, hatten die Fahnder Mitte Februar, nach der Entdeckung zweier Erddepots nordwestlich von Berlin, die dort vergrabenen 3,5 Kilogramm Schwarzpulver heimlich gegen ein harmloses Imitat ausgetauscht.

Tatsächlich holten die beiden Verdächtigen den vermeintlichen Sprengstoff am Sonntag aus dem Versteck, bemerkten jedoch während der Fahrt von Berlin Richtung Hamburg auf der Autobahn, daß sie verfolgt wurden. Kurz vor Erreichen der Hansestadt bogen sie plötzlich von der Autobahn ab. Die Festnahme besorgten dann nicht die BKA-Fahnder, sondern kurzfristig alarmierte schleswig- holsteinische Polizeibeamte auf der Landesstraße 94 bei Witzhave.

Zu welchem Zeitpunkt sich die Festgenommenen des aus dem Erddepot gebuddelten Stoffs entledigten, ist nicht bekannt. Klar ist lediglich, daß er sich – zur Verblüffung der Verfolger – nach der Festnahme nicht mehr im Wagen befand. Bleibt die naheliegende Frage, warum sich die Experten des Bundeskriminalamts fast vierzehn Stunden lang mit einem Sprengstoffroboter und mit speziellen Schutzwesten an dem Fahrzeug zu schaffen machten, obwohl sie wissen mußten, daß das Schwarzpulver zuvor gegen einen harmlosen Stoff ausgetauscht worden war. Dazu Sicherheitsexperten: Man habe „nicht ausschließen können, daß andere zusätzliche Sprengeinrichtungen im Wagen verborgen waren oder ein möglicherweise inzwischen gebauter Sprengsatz mit echtem Sprengstoff aufgefüllt wurde“.

Tauschaktion sollte geheim bleiben

Wahrscheinlicher scheint, daß sie die Tauschaktion lediglich vor den Verdächtigen und der Öffentlichkeit geheim halten wollten. Als Nebeneffekt demonstrierte das Spektakel um den weinroten VW Passat für jedermann sichtbar die Gefährlichkeit der AIZ.

Vor dem Zugriff vom letzten Sonntag hatten die staatlichen Terroristenjäger monatelang alle Bewegungen des Pkw, der dem festgenommenen Michael S. gehört, beobachtet – möglicherweise mit Hilfe eines satellitengestützten Systems, das die heimliche Installation eines entsprechenden Ortungsgeräts am Fahrzeug voraussetzt. Das BKA habe die „Route mit technischen Mitteln verfolgt“, sagte ein Experte der taz. Genauer wollte sich niemand zu dieser neuen Technik äußern.

Gestützt auf die lückenlose Überwachung des VW Passat will die Bundesanwaltschaft den Beschuldigten den Sprengstoffanschlag auf das peruanische Honorarkonsulat in der Nacht zum 23. Dezember letzten Jahres in Düsseldorf nachweisen. Allerdings waren die Fahnder zu diesem Zeitpunkt nicht am Tatort. Sonst hätten sie es kaum zu einer Explosion kommen lassen, die nach ihrer eigenen Einschätzung zufällige Passanten hätte schwer verletzen oder töten können. Das Bewegungsbild des Fahrzeugs konnte offenbar immer erst nachträglich durch Datenauswertung rekonstruiert werden. Die Frage wird also sein, ob die Ankläger in einem späteren Prozeß nachweisen können, daß tatsächlich die jetzt Verhafteten an jenem Abend mit dem Pkw in Düsseldorf waren und nicht jemand anders.

Nach dem 10./11. Februar registrierten die Fahnder, daß sich das Fahrzeug an diesen beiden Tagen nahe einem Waldstück nordwestlich von Berlin aufgehalten hatte. Wenig später waren die heimlichen Verfolger zur Stelle und mußten nur noch den Spuren im Schnee folgen, um schließlich auf zwei frisch angelegte Erddepots zu stoßen. Dort fanden die BKA-Spezialisten laut einer Mitteilung der Bundesanwaltschaft unter anderem 3,5 Kilogramm Schwarzpulver, das sie später gegen das Imitat austauschten.

Erddepots unter den Augen der Fahnder geräumt

Schon zwei Wochen danach, am vergangenen Sonntag, näherte sich das „Zielfahrzeug“ erneut den Depots. Dieses Mal, behaupten die Verfolger, waren sie mit den Verdächtigen vor Ort. Praktisch unter ihren Augen räumten beide die Verstecke und verstauten das vermeintliche Schwarzpulver – und möglicherweise auch Waffen – im Wagen. Ob sie dann direkt Richtung Hamburg aufbrachen oder noch einen Zwischenstopp einlegten, ist nicht bekannt. Jedenfalls gingen die geheimen Verfolger davon aus, daß ein weiterer Anschlag vorbereitet wurde, eine entsprechende Sprengeinrichtung möglicherweise bereits im Lauf des Sonntags zusammengebaut worden war.

Als die beiden mutmaßlichen AIZ-Aktivisten schließlich am späten Sonntag abend dem Observationstrupp des BKA entwischten, war der Traum vom demonstrativen Fahndungserfolg ausgeträumt. Generalbundesanwalt Kay Nehm verlangte als „Herr des Verfahrens“ den Zugriff, weil er fürchten mußte, daß die nun gewarnten Verdächtigen untertauchen würden. Die Verhaftung gelang schließlich nicht den obersten Terrorfahndern der Republik vom BKA, sondern schleswig-holsteinischen Polizeibeamten in Witzhave.

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