Eine Prunkhalle in der Schwebe

Der Kaisersaal im berühmten Filmhaus Esplanade wird mit hydraulischen Pressen verschoben. Spektakuläre Umsetzungsaktion für das denkmalgeschützte Haus. Nur die Fassade bleibt  ■ Aus Berlin Barbara Junge

Der schwarze Spalt zwischen Erdboden und Betonsockel klafft unendlich langsam auseinander. Es knirscht leise, die hydraulischen Pressen surren. Um halb zehn bewegt sich der Koloß. Endlich. Ein kleiner Ruck für den Kaisersaal, ein großer Schritt für Sony am Potsdamer Platz: Unter dem bangen Blick von Bauprojektleiter Thomas Brand und dem Geschäftsführer von Sony, Edgar van Ommen, schoben gestern die Pressen den Kaisersaal, das historische Prunkstück des frühere Hotel Esplanade, millimeterweise nach oben. Bei 2 Meter 40 bleiben die Pressen stehen.

1.800 Tonnen grauer Backstein, eingepackt in grüne Plastikplanen schwebten samt Holzparkett, Toiletten und Marmortreppe aus der matschigen Baustelle in die Höhe und ließen bröckelnde Ziegelfundamente unter sich.

Dem Denkmalschutz und nicht zuletzt der Publicity zuliebe ließ es sich Sony fünf Millionen Mark kosten, Teile des Hotels in der alten Stadtmitte zu erhalten und sie in den 1,5-Milliarden-Mark-Neubau des Sony-Centers auf Europas größter Baustelle zu integrieren. Der japanische Elektronikkonzern hat sich auf die Fahnen geschrieben, auf dem Brachland zwischen dem neuen Regierungsviertel und der Philharmonie bis zum Jahr 2000 ein neues innerstädtisches Areal, Kultur inklusive, zu basteln. Neben acht Gebäuden sind auf den 26.000 Quadratmetern auch ein überdachtes Forum und ein Kino in Aussicht gestellt.

Die Liebe zur Kultur ging jedoch nicht weit genug, um die historischen Räume an ihren historischen Orten zu belassen. Wo einst der Kaisersaal stand, wird jetzt die Potsdamer Straße langgeführt. Auch der Frühstückssaal muß weichen. In Einzelteile zerlegt wird er an anderer Stelle wieder aufgebaut. Nur die Hotelfront bleibt an ihrem alten Ort, sie verschwindet hinter der neuen Glasfassade und soll als historische Kulisse durchscheinen. „Die Versetzung des Kaisersaaals ist technisch einmalig“, schildert Projektleiter Brand mit aufgeregtem Strahlen im Gesicht, „die Technik, die Computer die wir einsetzen, so was hat es noch nicht gegeben.“ Kleine Risse werde es schon geben, aber der Saal bleibe erhalten. Dank Laserüberwachung und Computersteuerung befürchtet Brand nicht, daß die Mauern auseinanderbersten.

Der Ballraum, der aus dem Hotelgebäude regelrecht herausgeschält wurde, ruht auf einem unter dem Gebäude gegossenen meterhohen Betonsockel. In das Fundament wurden dicke Stahlstränge eingelassen. An ihnen ziehen die Pressen das Gebäude in die Luft.

Zwei Wochen wird der Saal in der luftigen Höhe schweben. So lange bekommt er von den Bauarbeitern ein Luftkissenbett verpaßt und wird auf diesem schließlich um 75 Meter in Richtung Westen verschoben. Dort findet der Saal dann am 16. März seinen hoffentlich endgültigen Platz.

Edgar van Ommen hat die neuen Pläne für den Kaisersaal schon in der Tasche, denn die Umsetzung soll sich schließlich lohnen: „er wird der Öffentlichkeit zugänglich sein“, verspricht er, „nach der Restauration werden wir ihn gastronomisch nutzen“.