Volleyball leben, denken, fühlen

Trainer Stelian Moculescu beklagt nach der Niederlage seines ASV Dachau gegen Modena im Champions-League-Finale das mangelnde Medieninteresse  ■ Aus Bologna Holger Gertz

Droben in der Halle kehrten sie noch ein paar Papierfetzen als letzte Zeugnisse des Siegesfestes der Männer aus Modena zur Seite, als drunten in den Katakomben des Palazzo dello Sport von Bologna der Volleyballtrainer Stelian Moculescu Sätze sprach, die über den Tag hinaus Gültigkeit bewahren: „Wenn wir so weitermachen, kommen irgendwann die großen Herren des Fernsehens, die Herren der Bilder, die in Deutschland darüber entscheiden, ob eine Sportart in ist oder out.“

Das ist des Trainers Leibthema: Wie sich die Volleyballer ins Zeug legen und trotzdem von Fernsehen und Zeitungen mißachtet werden, sogar wenn sein Verein ASV Dachau in der Champions-League- Endrunde mitmachen darf. „Es ist nicht auszuhalten, daß sie von uns nichts zeigen“, sagt Moculescu, „aber wenn so ein Skifahrer wie der Stefan Krauss am Polarkreis auf Platz 29 rumgondelt, sind alle dabei.“ Daß sich für das Skilaufen mehr interessieren als für das Netzspiel, ist dem Trainer schwer vermittelbar; daß sein Sport das Schicksal mit vielen Disziplinen teilt und eine Randerscheinung bleiben wird, genausowenig: Moculescu lebt, denkt, fühlt Volleyball und kann nicht verstehen, wie jemand nicht Volleyball leben, denken, fühlen kann.

Zumal nach Tagen wie diesen: Zweiter im Final-Four-Turnier sind die Dachauer geworden nach einem erkämpften 3:2 gegen Novi Sad und einem tapferen 1:3 gegen Daytona Modena. Dafür gebührt ihnen aller Respekt. Hätte es noch mehr werden können? Der Trainer sagt: „Nein, die Italiener spielen in einer anderen Liga als wir; für unsere Verhältnisse sind wir die Besten.“ Ein relativer Champion sind die Dachauer also, ein absoluter hätten sie werden können; daß die Chance da war, quält Zuspieler Häberlein im nachhinein: „Wenn du 3:0 heimgeschickt wirst, kannst du sagen: Okay, das war's. Aber jetzt?“ Jetzt werden sie sich ewig ärgern, weil sie im ersten Satz aus einem 8:13-Rückstand noch ein 16:14 gemacht haben und im zweiten flink 6:2 davongeeilt waren. Ratlos waren die Männer aus Modena, die tags zuvor noch den Ligakonkurrenten Sisley Treviso wegen einiger eigentümlicher Schiedsrichterentscheidungen herausgeboxt hatten und plötzlich gegen die Emporkömmlinge des ASV vor einer Pleite zu stehen schienen. „Wenn sie den zweiten Satz zugemacht hätten, wäre alles drin gewesen“, sagt Bundestrainer Olaf Kortmann, Zeuge des Spiels.

Sie machten ihn nicht zu, kurz regten sie sich über einen Schiedsrichterspruch auf, statt ruhig auf weitere Fehler der zappeligen Gegner zu warten, und auch Moculescu hätte besser daran getan, weniger zu reklamieren: Es bringt nichts, das sollte er mittlerweile wissen. Modena schloß auf, zog vorbei und gewann den Satz mit 15:13; damit hatten die Dachauer ihre Chance vertan. 15:5 im dritten, 15:6 im vierten für Modena, das den Europapokal der Meister zum fünftenmal in Folge ins Land des Weltmeisters geholt hat, nach drei Siegen von Ravenna und einem von Treviso in den letzten Jahren.

Der spezielle Dank des Trainers Daniele Bagnoli galt hernach seinem Angreifer Juan-Carlos Cuminett, Moculescu lobte die zähe Beständigkeit seiner Männer: Dirk Oldenburg, Frank Reimann fußkrank, Martin van der Horst mit weher Zehe, Steller Matthias Häberlein im Abschlußtraining an der Hand verletzt. „Dafür haben sie sich prächtig geschlagen“, sagt der Coach, doch Häberlein fragt: „Was wäre gewesen, wenn wir fit gewesen wären?“ Einer Antwort wird er ewig harren.

Sicher dagegen ist: Dachau hat eine Menge Fans gewonnen in der gesamten Champions-League-Saison. 200 sind sogar nach Bologna mitgereist, haben allerlei Radau gemacht, und Moculescu sagt: „Wir haben erwachsene Menschen zum Tanzen und Trommeln gebracht.“ Der zarte Boom, den die Volleyballer nach der Olympiaqualifikation der Frauen ausgemacht haben, hat neue Nahrung bekommen: Im Mai muß die Männernationalmannschaft in die Olympiaqualifikation, und Bundestrainer Kortmann sagt, da passe es ganz gut, „daß die Spieler schon mal mitkriegen, wie sich das anfühlt, gegen große Gegner mitzuhalten“.

Hoffentlich sind die Nationalspieler Häberlein, Oldenburg und Reimann bis dahin wieder fit und nicht von Gedanken an Lire-Millionen gänzlich verwirrt. Dirk Oldenburg, der in Bologna die Bälle mit großer Beständigkeit in Gegners Feld hieb, ist den italienischen Spähern ebenso aufgefallen wie sein Angriffskollege Sandor Kantor. Der Ungar habe ein Angebot, demnächst im Campionato Italiano mitzumachen, meldet der Corriere dello Sport, aber Moculescu sagt: „Ich habe noch nichts gehört.“ Eine ungerechte Welt ist das. Da interessiert sich im eigenen Land das Fernsehen nicht, aber im fremden lauern schon die Häscher.

Platz drei: Vojvodina Novi Sad - Sysley Treviso 3:1 (14:16, 15:7, 15:10, 15:4)

Halbfinale: ASV Dachau - Vojvodina Novi Sad 3:2 (13:15, 5:15, 15:6, 15:13, 15:12); Daytona Modena - Sisley Treviso 3:2 (15:12, 10:15, 12:15, 15:12, 16:14)

Endrunde, Champions League, Männer, Finale: ASV Dachau - Daytona Modena 1:3 (16:14, 13:15, 5:15, 6:15)