Auch die Eisberge im Nordmeer können strahlen

■ Norwegen warnt vor einer bisher unbeachteten Gefahr aus der Exsowjetunion

Oslo (taz) – Nicht einmal Eisschollen können mehr als harmloser Exportartikel aus der ehemaligen Sowjetunion gelten. Die norwegischen Strahlenschutzbehörde warnt vielmehr davor, daß das Treibeis aus dem Osten radioaktiv sein kann und auf seinem Weg in den Westen unter anderem die norwegischen Fischgründe in der Barentssee verstrahlt.

„Bisher waren wir davon ausgegangen“, sagt Per Strand von der Strahlenschutzbehörde, daß wir uns über den Atommüll, der beispielsweise im Karameer liegt, nicht sonderlich Gedanken machen müssen. Neue Messungen und vor allem Satellitenbilder haben uns aber gezeigt, daß wir uns geirrt haben. Eisberge und Treibeis aus dem Karameer können radioaktiv verstrahlt sein und über die Barentssee auch in den Nordatlantik weitertreiben.“

Wie groß die Gefahr tatsächlich ist, will die norwegische Behörde heute noch nicht endgültig beurteilen. Fest steht jedoch, daß der Grund unter dem Karameer eine der großen Atommüllagerstellen der ehemaligen Sowjetunion ist. Neben dem absichtlich versenkten strahlenden Schrott der Armee haben sich hier auch radioaktive Abfälle abgelagert, die über die sibirischen Flüsse aus dem inneren Ural und seinen Plutoniumfabriken angeschwemmt worden sind. Am Ufer des Karameeres liegen außerdem mehrere ungesicherte Atomdeponien, aus denen vermutlich ständig radioaktive Stoffe ins Meerwasser gespült werden.

Die Gefahr, daß radioaktive Stoffe – in Eisschollen eingeschlossen – auch über große Entfernungen verbreitet werden können, ist bislang in den Risikoberechnungen der Atomwirtschaft nicht berücksichtigt worden. Reinhard Wolff