Die Grünen suchen Wege aus der Falle

Basisinitiativen scheinen Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen nun doch noch zu retten. Die Sozis stellen sich hinter ihren Minister Clement, sie wählten ihn in Duisburg zum Landesvize  ■ Aus Duisburg Walter Jakobs

Wo spielt denn die Musik? Ist es die Mercatorhalle in Duisburg, wo die Landes-SPD sich anschickt, den im Zentrum der grünen Kritik stehenden Wirtschafts- und Verkehrsminister Wolfgang Clement zum Landesvize zu wählen? Oder kommen die entscheidenden Impulse vom Bundesparteitag der Grünen in Mainz? Beides falsch. Das wichtigste Signal zur Lösung der rot-grünen Koalitionskrise dringt am Samstag nachmittag via dpa-Ticker aus Dortmund.

„Zur Rettung der Koalition“, so verbreiten darin der Dortmunder Kreisverband der Grünen und der grüne Landesvorstandssprecher Reiner Priggen unisono, sei ein „Kompromiß“ über den Dortmunder Flughafenausbau möglich. Wenn der Status Quo gewahrt bleibe, dann seien die Grünen bereit, der Sanierung und Modernisierung des Flughafens mit Landesmitteln zuzustimmen. Auch ein Anbau an die Abfertigungshalle sei denkbar. Eine Verlängerung der Landebahn lehne man aber weiterhin ab.

Vielleicht wird man noch ein paar Tage darüber streiten, was die Wahrung des Status quo konkret bedeutet. Aber nach „dieser qualitativen Bewegung“ erwartet der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Bodo Hombach, schon für den kommenden Mittwoch eine Einigung. Eine Finanzierung der Startbahnverlängerung hat auch die Landes-SPD nie gewollt. Es ging immer nur um die Optimierung der gegenwärtigen Flughafennutzung. Dafür allein waren die zwanzig Millionen Mark aus dem Wirtschaftsressort vorgesehen. Nach dem Beschluß des grünen Parteirats sollte die Landtagsfraktion wegen dieser Förderung den Wirtschaftsetat blockieren.

Jetzt muß die grüne Fraktion am Dienstag dieser Woche die Dortmunder Wende noch nachvollziehen. Verweigert sie sich, ist die Koalition zu Ende. Daran hat der SPD-Parteitag mit seiner eindeutigen Unterstützung des Clement-Kurses keinen Zweifel gelassen. Mit 84 Prozent der Stimmen kürten die Genossen Clement zum stellvertretenden Landesvorsitzenden und feierten ihn mit rauschendem Applaus. Heftige Kritik gab es für Clement nur von den Jusos. Die hielten ihm vor, den Unternehmern „jeden Wunsch von den Augen abzulesen“ und die Partei „immer konservativer“ zu machen.

Zuvor hatte der mit 93 Prozent erneut zum Landesvorsitzenden gewählte Johannes Rau deutlich gemacht, daß er die Fortsetzung der Koalition will, „weil es nach dem Wahlergebnis keine bessere Alternative gab und gibt“. Zu den eigentlichen Streitpunkten schwieg Rau sich aus. Diesen Part teilten sich Clement und Klaus Matthiesen. Die SPD sei weder von den Grünen „erpreßbar“, noch werde sie sich von der CDU in eine große Koalition locken lassen, sagte der SPD-Fraktionschef mit Blick auf die Landesverfassung. Tatsächlich könnte Rau auch ohne eine Mehrheit im Parlament noch lange weiterregieren. Abzulösen wäre er nur durch ein konstruktives Mißtrauensvotum.

Ein Bruch ist auch deshalb unwahrscheinlich, weil immer mehr Initiativen von den Grünen ein Einlenken verlangen. So fordert der Stadtverband des Aachener „Naturschutzbundes“ die Grünen dringend auf, die Koalition nicht an der Frage des Dortmunder Flughafens scheitern zu lassen. Autonome Frauenhäuser, Rathausfraktionen und Kreisverbände aus dem ganzen Land stimmen in diesen Chor ein. Auch aus dem Verkehrsbereich kommen solche Töne. So wertet die landesweite Basisinitiative „Verkehrswende für NRW“ den rot-grünen Haushaltsentwurf als „Einstieg in die Verkehrswende“.

Harte Kritik an dem eigenen Kurs kommt inzwischen aus der grünen Landtagsfraktion. „Genau wie in der SPD sind auch bei uns Scharfmacher an führender Stelle aktiv“, kritisiert der Landtagsabgeordnete Siggi Martsch. „Die agieren wie in der Opposition, weil sie Angst haben vor der Regierungsverantwortung.“ Die Kritik zielt direkt auf den parlamentarischen Geschäftsführer Manfred Busch, dem viele vorwerfen, die Fraktion aus eigener Profilierungssucht immer wieder in politische Sackgassen zu treiben. Weil „unsere Hardliner schon in der Vergangenheit bei jedem Scheißdreck von Koalitionskrise geschrien haben, fällt es jetzt schwer, die Dortmunder Kröte zu schlucken“, meint Martsch. Dabei steht für ihn fest, daß der gerade ausgehandelte Haushalt, „das Beste ist, was je eine rot-grüne Koalition in Deutschland vereinbart hat“.