Bündnis für ökologischen Umbau

Die Bündnisgrünen wollen „Umwelt und Arbeit“: Die Ökosteuer soll Lohnnebenkosten senken, die 30-Stunden-Woche wird angepeilt, der Parteiumzug an die Spree wird verschoben  ■ Aus Mainz Karin Nink

Ganz Politprofis und die bevorstehenden Kommunal- und Landtagswahlen fest im Blick, demonstrierten die Bündnisgrünen auf ihrem Parteitag in Mainz Geschlossenheit. Mit dem einvernehmlichen Willen, ihre Regierungsfähigkeit unter Beweis zu stellen, beschlossen die rund 700 Delegierten mit großer Mehrheit eine Grundsatzresolution „Bündnis für Umwelt und Arbeit“, mit der sie „den ökologischen Umbau der Bundesrepublik mit ihrer ökonomischen Modernisierung und einer Erneuerung des Sozialstaats“ verbinden wollen.

Im einzelnen schlagen die Bündnisgrünen vor, den Energieverbrauch durch eine ökologische Steuerreform zu verteuern. So soll zum Beispiel die Mineralölsteuer noch in diesem Jahr um 50 Pfennig und in den nächsten Jahren jeweils um 30 Pfennig pro Liter steigen. Mit einem Teil der Mehreinnahmen sollen die Lohnnebenkosten gesenkt und die Sozialversicherungen entlastet werden. Ein anderer Teil des Geldes soll dem ökologischen Umbau zugute kommen. Bei einer Neuverteilung der Arbeit wollen die Bündnisgrünen nicht nur die Überstunden abbauen, sondern die Arbeitszeit Schritt für Schritt auf 30 Stunden pro Woche senken. Gleichzeitig soll die Reduzierung der Regelarbeitszeit durch eine größere Vielfalt an Arbeitsverhältnissen, zum Beispiel Jahresarbeitszeitkonten, Teilzeitmodelle oder Sabbatjahre, ergänzt werden. Die sehr wenig Verdienenden möchten die Bündnisgrünen mit einem tariflichen Grundeinkommen und einer sozialen Grundsicherung versorgen.

Das Steuersystem soll einfacher und zum Beispiel durch den Wegfall von Abschreibungsmöglichkeiten gerechter gestaltet werden. Ziel ist es, den durchschnittlichen Steuerzahler und eine breite Mittelschicht, die derzeit die höchsten Steuern zahlt zu entlasten und statt dessen Spitzenverdiener stärker zu besteuern. Kritische Punkte in der Wirtschafts- und Steuerpolitik, wie die Frage der Unternehmensbesteuerung haben die Grünen vorsichtshalber in Mainz lieber weitgehend augeklammert. Nur Parteisprecher Jürgen Trittin übte für seine Verhältnisse leise Kritik an jenen ParteifreundInnen, die dabei zugunsten von Unternehmen denken. Widerspruch erfuhr er selbst, als er erneut seine These vertrat, Deutschland leide nicht an einem Standortproblem, sondern nur an einer Solidaritätskrise. Diese Behauptung sei deutlich zu kurz gegriffen, kritisierte der ostdeutsche Bundestagsabgeordnete Werner Schulz. Vielmehr gäbe es in Deutschland gleich zwei Standortprobleme, eins in West- und eins in Ostdeutschland.

Vieles von dem, was Realos und Linke in Mainz nicht ausdiskutierten, werden sie in Kommissionen und Arbeitsgruppen nachholen und bei dem Strategiekongreß im Winter aushandeln müssen. Joschka Fischer brachte es auf den Punkt, als er sagte, „die Bedingungen für eine Reformpolitik werden objektiv chancenreicher, aber der Widerstand auch härter“.

Fischer signalisiert aber auch die Regierungsfähigkeit seiner Partei, die „offensiv“ die Schaffung von zukunftssicheren Arbeitsplätzen aufgreifen und für ökologische und soziale Gerechtigkeit eintreten wolle. Spöttisch erinnerte er an Helmut Kohl, der die Grünen einst als „Arbeitsplatzvernichter“ abgetan hatte. „Man hat uns maßlos überschätzt. So viel Arbeitsplätze, wie Helmut Kohl vernichtet hat, das konnten wir selbst in unseren utopischsten Träumen nicht leisten.“

Daß die Bündnisgrünen als ernstzunehmende Gesprächspartner wahrgenommen werden, zeigt die Rede des stellervertretenden IG-Metall-Chefs Walter Riester, der die Partei zu einem „kritischen Dialog aufforderte“ und Sympathie für die ökologische Steuerreform signalisierte.

Nach einer kontrovers geführten Debatte und gegen den heftigen Protest der ostdeutschen Grünen beschlossen die Delegierten auch, daß die Parteizentrale frühesten 1999 von Bonn nach Berlin umziehen wird. Gestern haben sich die Grünen darauf geeinigt, ihre drei Stiftungen „Bundstift“, „Heinrich-Böll-Stiftung“ und „Frauen Anstiftung“ in ein straff organisiertes, der Partei nahestehendes Bildungswerk zusammenzufassen. Schon am Freitag abend hatten führende Vertreter der Partei die Aussiedler-Politik der SPD scharf kritisiert.