„Zensur ist nicht erlaubt“

■ Gefängnisleiter konfisziert Redaktions-Disketten in der JVA Oslebshausen / Insassenzeitschrift „Diskus“ vorerst auf Eis gelegt

Es sollte eine der üblichen umstrittenen „Kontrolldurchsuchungen“ sein – Die Gefängnisleitung der JVA (Justizvollzugsanstalt) für Männer in Oslebshausen suchte nach Drogen und fand Disketten. Das liegt nahe, da im Redaktionsbüro der Gefangenenzeitschrift „Diskus“ gefahndet wurde. Die Disketten wurden jedoch konfisziert und befinden sich jetzt beim Staatsanwalt. Wieder einmal hat sich daran ein hitziger Streit zwischen Insassen und der Gefängnisleitung entzündet: Vom Verdacht auf die Vorbereitung von Straftaten spricht die Anstaltsleitung, von (unerlaubten) Privatbriefen auf den Disketten dagegen einer der betroffenen Redakteure.

Einer der ehemaligen Redakteure, denn umgehendst hat JVA-Leiter Hans-Henning Hoff drei der sechs Diskus-Mitarbeiter abgelöst. Zu den Corpi Delicti möchte Hoff nichts Genaues sagen, weil nun Ermittlungen gegen die drei „offensichtlich involvierten“ Insassen laufen. Das hat diese nicht daran gehindert, an die Öffentlichkeit zu gehen. Sie werfen der Anstaltsleitung einen Vertrauensmißbrauch vor und finden, daß die schnelle Suspendierung „an den Haaren herbeigezogen“ sei.

„Gefangenenzeitschriften muß man fördern und schützen“, sagt dazu der Bremer Rechtsanwalt Erich Jöster. Er ist Gründungsmitglied des „Fördervereins Diskus“ und hatte im Streit um Pressefreiheit und Zensur schon einige Strafverfahren am Hals gehabt. Doch der Anwalt gibt sich auch bedenklich: Der Verdacht auf die Vorbereitung von Straftaten sei nicht widerlegt, und nach langem Zögern erteilt Rechtsanwalt Jöster dann auch Auskunft darüber, was denn nun auf den Disketten drauf sein soll. Die Redakteure sollen zwei unerlaubte Programme ins Diskus-System gespielt haben: Ein Schecckarten-Codierprogramm sowie eines, mit dem auf Kosten der Deutschen Bahn telefoniert werden kann.

Ob das nun bereits kriminell sei, sei zu prüfen, sagt Erich Jöster. Vielleicht habe man es aber auch mit einer eher harmlosen Angelegenheit zu tun. Er findet, die Anstaltsleitung solle nicht überreagieren und vielleicht das Betriebssystem der Diskus-Computer runterfahren. Es gehe um den Erhalt der Zeitschrift. „Falls die Redaktion eingestampft werden soll, schreiten wir ein. Eine Zensur darf es hier nicht geben.“

Das Diskus-Büro ist verwaist, das nächste Heft soll aber im April planmäßig erscheinen. Das sei auch ganz in seinem Sinne – Anstaltsleiter Hoff versteht sich ebenfalls als ein Verfechter der Pressefreiheit, gibt aber allgemeine Kontrollnotwendigkeiten zu bedenken. Es sei doch normal, daß er als Leiter sämtliche Texte in die Hände bekomme, bevor sie in Druck gingen. „Ich schreite da auch nur ein, wenn ich da grobe Unrichtigkeiten oder Beleidigungen vor mir liegen habe. Dann, wenn ehrenrührige Behauptungen drin stehen, wenn die Gefangenen den Beamten unsaubere Machenschaften oder Straftaten vorwerfen. Ich bin da recht großzügig.“ Man könne das auch im Heft nachlesen, daß er Kritisches durchaus begrüße, verweist Hoff auf die Diskus-Ausgabe vom letzten Dezember.

Doch dem Anstaltsleiter geht es manchmal doch zu weit mit den Privilegien der Diskus-Mitarbeiter. Man habe die Redaktion nun wirklich lange nicht durchsucht, sagt Hoff. Da habe die Gefängnisleitung nun tatsächlich einen formellen Fehler begangen, wirft der Anwalt Jöster ein: Der Herausgeber der Zeitschrift war nicht vorher benachrichtigt worden.

Der Herausgeber ist traditionsgemäß ein Beamter, der vom Justizsenator persönlich eingesetzt wird, und den Spagat zwischen den Insassen und der Gefängnisleitung zu praktizieren hat. Derjenige, der sich zur Zeit noch im Amt befindet (er wird Ende März aufhören), möchte überhaupt nicht zu der Sache Stellung nehmen. „Die Redakteure haben da etwas Privates gemacht, aber ich habe von all dem nichts mitbekommen.“

Schon dieses Private war dem Anstaltsleiter aber ebenfalls zu viel. „Das waren doch nur private Korrespondenzen, Briefe an Freundinnen, an Verwandte oder Bekannte“, sagen die Redakteure. „Das war nichts gegen die Anstalt. Vielleicht mal eine Beschwerde.“ – „Das Ausmaß war zu groß“, kontert Hans-Henning Hoff. Dafür ist der Redaktionscomputer nicht da. Die anderen müssen ja auch von Hand oder mit der Schreibmaschine schreiben.“ sip