Verruchte Frauen, verzweifelte Liebe

■ Willy DeVilles rauhe Schale mit weichem Schmelz aus Latin-Sound erwärmte die Herzen der über 40jährigen im Publikum / Drangvolle Enge im überfüllten „Pier 2“

Es ist schon erstaunlich, wie gut Willy DeVille sein Publikum im Griff hat, wo er auf der Bühne eigentlich nicht viel mehr anstellt, als da zu sein. Waren die Musiker seiner Band wegen der ungebührlich langen Umbaupause nach dem Auftritt der nicht weiter erwähnenswerten Vorgruppe noch mit Pfiffen und Buhrufen empfangen worden, versöhnte DeVilles Erscheinen auf der Bühne die Fans in der aus allen Nähten platzenden Halle sofort. Als er sich gelassen dem mit roten Rosen drapierten Mikroständer näherte, lässig eine Zigarette im Mundwinkel und im Outfit eines french Beau aus Louisiana, brandete begeisterter Beifall auf. Bevor er überhaupt einen Ton von sich gegeben hatte.

Denn so kennen und lieben wir ihn, leicht unterkühlt, sich selbst im Stil eines Kleinganoven aus dem Spieler-/Zuhältermilieu des New Orleans der Jahrhundertwende inszenierend. Mit bleichem Gesicht, Gehrock, glitzernder Weste und altmodischer Krawattenschleife trägt er dann mit sparsamen Gesten seine Songs vor, die so häufig in krassem Kontrast zur coolen Attitüde stehen. Sind DeVilles Stärke doch seine manchmal genial am Rande der Schwülstigkeit balancierenden Balladen über verruchte Frauen, die ihm das Herz brechen, oder über die verzweifelte Liebe von Existenzen am Rande des US-amerikanischen Mainstream. Dazu paßt der aus dem kulturellen Schmelztiegel seiner Wahlheimat New Orleans schöpfende Stilmix aus Rhythm'n'Blues, Latin und Rock'n'Roll, versetzt mit Cajun- und Mariachi-Elementen, ganz ausgezeichnet.

Mit heiserer, rauherer Stimme als gewohnt sang und spielte sich Willy am Freitag durch das Repertoire seiner vierzehn Alben aus den letzten 20 Jahren. Von „Cadillac Walk“ und „Savoir Faire“ über „Spanish Stroll“, die legendären Coverversionen von „Hey Joe“ und „You better move on“, einigen Stücken seiner neuen CD bis zur Zugabennummer „Stand by me“ reichte die Palette. Und traf genau den Nerv des Publikums, dessen Durchschnittsalter wohl eher über als unter vierzig lag.

Dabei wurde er von seiner sechsköpfigen Band und zwei Backgroundsängerinnen kompetent und druckvoll begleitet. Allerdings wurde gerade in der drangvollen Enge des überfüllten „Pier 2“ deutlich, daß die emotionale Tiefe der Schmachtfetzen nach einer intimeren Atmosphäre verlangen, um ihre Wirkung zu entfalten. So blieb die Stimmung trotz des spürbaren Publikumswillens, sich zu amüsieren, immer ein wenig distanziert. Nicht zuletzt, weil im Gedränge fast jeder Versuch von Bewegung sofort an Grenzen stieß. Trotzdem erklatschten sich die BesucherInnen immerhin zwei Zugaben, ohne daß sich die Reihen merklich lichteten.

Arnaud