Nicht lang schnacken

■ Pusdorf als neues Ausflugsziel an der Weser: Bürger planen ein Kulturzentrum für alle und alles

An die Sonntage in „Timmermanns Badeanstalt“ können sich nicht nur die alten Pusdorfer erinnern. In der Sonne braten, Eiskrem schlecken, in den Wellen der vorüberziehenden Dampfer planschen: Dieses billige Vergnügen leisteten sich auch die Nachbarn vom anderen Ufer, aus Gröpelingen und Walle. Mit der Fähre waren sie schließlich ruckzuck drüben, auf dem begehrten Sandstrand zwischen Westerdeich und Weser. Aber die Fähre hat den Betrieb längst eingestellt. Ein Kunstwerk aus ausgedienten Holzdalben erinnert, schwer symbolisch, noch ein bißchen an den Anleger. Und wo die Bürger baden gingen, liegt jetzt eine Wiese etwas ratlos in der Gegend. Nicht mehr lange, wenn es nach den Pusdorfern geht: Mit einem neuen Kulturzentrum, samt Gartenlokal und neuem Fähranleger, soll das Sommervergnügen am Westerdeich wieder aufleben. Tatkräftige Hilfe haben Handwerker, Geschäftsleute und Politiker aus dem Stadtteil schon mal angemeldet. Aber: Kaum in Schwung gekommen, droht die Initiative schon wieder mangels Geld aus dem Kulturressort zu erlahmen.

Denn die Behörde hat für Pusdorf weniger übrig als bisher. Wenn schon überall gespart werden muß – dann auch hier, so die Argumenation der Fachleute vom Amt. So soll der „Kulturladen“, treibende Kraft im Bestreben um das Stadtteilzentrum, im nächsten Jahr auf ein Drittel seiner Stellen verzichten. So schlägt es die Behörde in einem Haushaltsentwurf für die freie Kulturszene vor (taz vom 1.3.). Morgen soll die Kulturdeputation über das Streichpapier entscheiden. Und damit auch über das Pusdorfer Strandleben. Denn der Kulturladen ist als fester Bestandteil des neuen Zentrums eingeplant – „auf zwei Beinen“, sagen die Mitarbeiter, „fällt der Schemel um.“

Dabei wäre der neue Treffpunkt für den Stadtteil ziemlich günstig zu haben, sagen die Initiatoren. Ein Dach überm Kopf ist nämlich schon da: der alte „Kartoffelbunker“ vor dem Deich, genau an dem Platz, wo einst „Timmermanns Badeanstalt“ prangte. Der flache Ziegelbau aus den 40er Jahren steht zur Disposition, seit der Katastrophenschutz seinen strategischen Rückzug aus dem Gebäude angekündigt hat. Die Idee mit dem Kulturzentrum paßte da bisher bestens ins Konzept: Der Ortsbeirat gab den Pusdorfer Initiatoren im Dezember den Auftrag, den Umbau des Bunkers voranzutreiben; der Senator für Stadtentwicklung bezahlte mit 15.000 Mark ein Planungsgutachten.

Nach diesem Entwurf würde aus dem Bunker künftig ein Haus für alle Fälle. Wohin soll denn sonst z.B. der Volkschor, wenn er mal auftreten will? Fragt Schorse Meyerdiercks, fliegender Fischhändler, Ortspolitiker und Vorsitzender des „Stadtteilzentrum Kartoffelbunker e.V.“ „Wenn die Sänger vom Chor mit ihrem Anhang kommen, platzen unsere Säle doch aus den Nähten!“ Und wenn jungvermählte Pusdorfer ihr Glück in großem Rahmen feiern wollen? Oder die Firmen vom GVZ einen Tagungsraum brauchen? Na? – Eben: Für all diese Gelegenheiten, meint Meyerdiercks, wäre im umgebauten Bunker Platz.

Soviel Platz, daß auch der Kulturladen dort Gitarrenkurse für Fortgeschrittene geben und sich der Pusdorfer Geschichte widmen könnte. Längst ist das umgewidmete Ladenlokal zu klein, in dem die Initiative seit 1982 residiert. Der Umzug böte „eine richtige Perspektive für unsere Arbeit“, sagt Mitarbeiter Ludger Fischer. Daß der Laden gerade jetzt zusammengekürzt werden soll, hält er für politisches Kalkül: „Die fürchten die Folgekosten“. Aber die soll es gar nicht geben.

Drittes Standbein des Zentrums soll nämlich eine Gaststätte werden. Die Leute vom Kulturladen schwärmen schon von Gartenbetrieb im Sommer, mit Blick auf die Dampfschiffahrt – fast wie früher. „Ein Sahnestück“, urteilt auch Schorse Meyerdiercks, „damit kann man richtig Geld verdienen.“

Und zwar soviel, daß sich das Stadtteilzentrum von selbst tragen würde. So rechnen es sich zumindest die Pusdorfer Optimisten aus. Bleibt nur noch die Kleinigkeit von 2,5 Millionen Mark an Investitionen. So teuer käme laut Gutachten der Umbau. Wenn überhaupt, schränkt Meyerdiercks ein. Wozu hat man Freunde im Stadtteil. „Hier schnackt man eben noch miteinander“, zum Beispiel mit dem Kollegen Klempner – ob der nicht die Installationen machen und spenden könnte? Klar, kann er. Nicht lang schnacken mußte der Verein auch mit dem Erwin Meyer, Ex-Schrotthändler, jetzt dick im Recyclinggeschäft – und alter Pusdorfer. Er spendiert dem „Kartoffelbunker“-Verein den ersten handfesten Baustein für die neue Pusdorfer Strandlust: ein Ponton. Als Fähranleger soll die schwimmende Stahlinsel die alten Verbindungen zwischen Pusdorf und dem Rest der Welt wieder herstellen.

Und das restliche Geld für den Umbau: das soll der Senat mal springen lassen, meinen die Initiatoren. Denn jahrelang sei die Stadtentwicklung an Pusdorf vorübergezogen. Die Fähre weg, das Schulschiff weg, dafür ein neues Güterverkehrszentrum im Rücken, und weit und breit kein Bürgerhaus. Da sei der Finanzsenator den Pusdorfern noch was schuldig. Stimmt: Als Ulrich Nölle, damals noch Bürgermeisterkandidat, im letzten Mai Wahlreden hielt, im Festzelt am Kartoffelbunker – da habe er den Pusdorfern so allerhand versprochen. Daran, sagt Meyerdiercks, werde man ihn jetzt mal erinnern. Thomas Wolff