„Um gehört zu werden, muß man klappern“

■ Die Berliner Statthalterin der Bonner Grünen ist sauer über die Umzugsmuffel

Wenn schon der Umzug im großen nicht klappt, braucht es wenigstens einen Tapetenwechsel. Einen Tag, nachdem auf der bündnisgrünen Bundesversammlung in Mainz der Umzug der Partei nach Berlin verschoben wurde, sitzt die Hauptstadtvertretung der Bundestagsfraktion im früheren Ministerium für Volksbildung am Brandenburger Tor auf gepackten Kartons. Die braunen Kisten verstellen den schmalen Gang am Ende des Flurs im zweiten Stock. In den nächsten zwei Tagen beziehen Marianne Birthler und ihre Mitarbeiter den neuen Seitenflügel des Bürohauses Unter den Linden – mit doppelt so vielen Büros. Ihren Ärger über den Mainzer Beschluß kann Birthler, die das Berliner Büro der Bundestagsfraktion leitet, allerdings nicht verbergen: „Bei einigen Leuten ist noch nicht angekommen, daß wir jetzt in einer neuen Republik leben“, ist sie enttäuscht über die „verpaßte Chance“ des Bundesvorstandes, den politischen Schwerpunkt weiter nach Osten zu verlagern. Auch die Berliner Grünen kritisieren die Entscheidung. Sie reihe sich in den „allgemeinen Beharrungswillen der Bonner Behörden“ ein, erklärt Landesvorstandsmitglied Matthias Dittmer.

Birthler leitet die Hauptstadtdependance seit über einem Jahr. Sie betreibt Öffentlichkeitsarbeit zwischen Ost und West mit der Aufgabe, die Politik der Bundesfraktion unter das Volk zu bringen und die Probleme des Ostens nach Bonn weiterzuleiten. „Wir wirken als Scharnier“, so Birthler.

Beim fraktionsgrünen Vorposten für Ostdeutschland klingelt das Telefon allerdings selten, im neongrünen Flur herrscht kein geschäftiges Treiben. Fernab von der Bonner Tagespolitik organisieren Birthler und ihre sieben Mitarbeiter Gespräche mit Mitgliedern des Bundestages, ein Berlin-Programm für Gäste von Abgeordneten oder eine Info-Tour durch den Norden Brandenburgs für den Sommer und stellen wöchentlich einen Pressespiegel mit dem Namen „Ostblick“ aus den Zeitungen der neuen Bundesländer für die Bonner Fraktion zusammen.

Marianne Birthler gibt diese Arbeit immerhin das Gefühl, jetzt mehr Möglichkeiten zu haben, den Osten ins Gespräch zu bringen, als während ihrer Zeit im Bundesvorstand. „Auch wenn das immer noch mehr Mühe kostet“ als ein Westthema anzusprechen, wie sie sagt. Im April startet die erste bundesweite Aktion aus Berlin. Gemeinsam mit prominenten Bundesgrünen sollen Einbürgerungsanträge von Ausländern in Rathäusern abgegeben werden. Aber auch dafür hat das letzte Wort die grüne Fraktion in Bonn. Und „die reagieren nicht automatisch. Wir sind halt weit ab vom Schuß“, erklärt Mitarbeiterin Katrin Steinitz. Um gehört zu werden, sagt sie, „muß man klappern“. Torsten Teichmann