■ Standbild
: Total maxschautzerisch

„Kuttner 2mal klingeln“, Sonntag, 21.50 Uhr, ORB

Schon die Ankündigung ließ Schlimmes ahnen: Vom „legendären Kultfunker“ war da die Rede, der in „seine gute Stube bittet und mit prominenter Unterstützung Sprichworte auf ihre Alltagstauglichkeit testet“. Wer denkt sich so etwas bloß aus?

Wahrscheinlich sogar Kuttner selbst, bei dem der Zopf inzwischen die Seite gewechselt hat: Früher hing er mal hintendran, jetzt kommt er vorn heraus. Gelassen spricht er schaurige Allgemeinplätze aus, die selbst ein Max Schautzer so nicht mehr sagen dürfte: Da wird der 89jährige DDR-Schauspieler Erwin Geschonneck zum „Erzkomödianten“, der als „Sprichwortexperte“ stramm am Thema vorbei monologisiert. Die quälenden Anekdötchen von Hotel Adlon und Helene Weigel wären im Radio noch als Klang-Collage durchgegangen – in der virtuellen Laubsägewelt des Fernsehstudios aber wirkt das alles dada. Und während sich Geschonneck schwer verständlich durch seine Jugendtage hangelt, täuscht Kuttner mit halboffenen Mund Interesse vor.

Danach geht's noch einmal ans Telefon, denn irgendwie soll das ja auch ein bißchen Kuttner- Talk-Radio im Fernsehen sein. In der Leitung ist Fred aus Hamburg, der sich so gern reden hört, daß er gar nicht mehr zu stoppen ist und was von Busencreme gegen Altersflecken faselt. Den hätte Kuttner in früherer Radiozeit gnadenlos weggedrückt, nun wird er nicht mal rausgeschnitten, obowohl „Kuttner 2mal klingeln“ doch eine Aufzeichnung ist. Im Fernsehen ist die Schlagfertigkeit des Sprechfunkers endgültig zur Ruhe gekommen. Statt dessen hängt er leicht verquollen im Sessel und zitiert seine eigenen Lieblingssprüche: der nun wieder.

Ja, so einer wie Kuttner darf beim ORB keine Sendepause machen, auch wenn's allen guttäte. Denn im Krampf um ein taufrisches Image zwingt der Brandenburger Sender alles vor Kamera und Mikro, was ein bißchen nach Jugend aussieht. Das kann ein dröges Stadtmagazin genauso sein wie die unvermeidlichen Toten Hosen, die ihr einfaches Weltbild einmal pro Woche in Schüttelreime gießen.

Jugendradio Fritz, Tip-TV und Kuttner – diese ORB-Corporate-identity kommt so bemüht kultcharakterlich daher und riecht doch nur mächtig nach Potsdamer Rex-Pils und den Schweißfüßen, auf denen die Trendscouts des ORB durch die Lande streifen. Oliver Gehrs