Junge Menschen kommen voll gut

■ Die WDR-Jugendredaktion hat einmal mehr den "Absprung" zum respektablen Fernsehspiel geschafft

Sowas gibt's also auch noch: „Jugend-Spielfilm“. Ein Etikett, das die anvisierte Zielgruppe normalerweise spornstreichs den Kanal wechseln läßt. Und das aus gutem Grund. Zum einen läßt der Stempel unweigerlich irgendwas von einem „nicht ganz vollwertigen“ Spielfilm assoziieren. Zum anderen hat man schließlich so seine Erfahrungen mit jenen hölzern zum Flimmern gebrachten, „pädagogisch wertvollen“ Thesenpapieren.

Daß es inzwischen auch anders geht, demonstriert der WDR mit „Absprung“. Es ist die Geschichte des 18jährigen Jörg, der keinen Plan hat, wo's denn langgehen könnte. Mit ihm und der Welt. Während er, immer auf der Suche nach dem besonderen Kick, draußen den renitenten Macker raushängen läßt, mit seinen Kumpanen abenteuerliche Mutproben absolviert, aber auch schon mal jüngere Schüler vermöbelt und sie um ihr Bargeld erleichtert, ist er zu Hause bei Oma und Opa (Vater weg; Mutter tot) der schwermütige Melancholiker, der Gedichte schreibt.

Als er sich in eine 25jährige Maskenbildnerin verknallt, gerät sein Leben vollends aus den Fugen. Die Frau kommt aus einer gänzlich anderen Welt und ist obendrein, wie man so sagt, gebunden. An seinem Geburtstag stürzt sich Jörg vom Dach der Schule...

Um diesen dramatischen Plot hat Autor Dieter Bongartz eine Geschichte mit lebendigen Figuren und stimmiger Milieuzeichnung gestrickt. Und in Hanno Brühls Inszenierung kommt das Ganze nicht nur glaubwürdig, sondern auch durchaus spannend daher. Was umso erstaunlicher ist, da die meisten Akteure Laien sind. Kurzum, ein respektables, vollwertiges Fernsehspiel.

Das mit „Jugend“ steht drauf, weil der Film von der WDR-Jugendredaktion verantwortet wird, die alle Jahre wieder (wie zuletzt bei „Kahlschlag“) den Kraftakt vollbringt, die Mittel für ein solches Projekt zusammenzukratzen. Was fraglos löblich ist. Nur ist es den sehenden Kunden an den Geräten letztlich schnurzegal, wie ein Film zustandegekommen ist. Wann und wo er läuft, ist da vielleicht schon eher von Belang. Da in dem Film auch 3sat-Gelder stecken, läuft er heute erstmal auf dem Kulturkanal mit weniger jugendlicher Laufkundschaft. Im Ersten gibt's ihn erst am 3. Oktober – womöglich noch nachmittags – zu sehen.

Obendrein Pech für die Redaktion, daß Fernsehspiele rund um die Jugend derzeit auch auf anderen Kanälen Konjunktur haben. Das ZDF verstrahlte an den letzten beiden Montagen gleich zwei, und beim „bösen“ Kommerzkanal Sat.1 in der vergangenen Woche das mehr als respektable „Der Pakt“. Irgendwie dumm gelaufen. Reinhard Lüke