Die Nelke ist frei

■ Portugal amnestiert Otelo de Carvalho, den Revolutionshelden und „Terroristen“

Lissabon (taz) – Bevor Portugals Staatspräsident Mário Soares am Samstag sein Amt an den Nachfolger Jorge Sampaio übergibt, hat ihm das Parlament einen letzten großen Wunsch erfüllt. Neun Jahre nach dem letzten Terroranschlag in Portugal amnestierte es die einstigen Mitglieder der linksextremen Terrorbewegung „Volkskräfte des 25. April“ (FP-25). Mit seiner Amnestieinitiative dachte Soares vor allem an Otelo Saraiva de Carvalho, den strategischen Kopf der „Nelkenrevolution“, die am 25. April 1974 das Ende der faschistischen Diktatur in Portugal brachte.

Zwei Jahre später, bei der Präsidentschaftswahl 1976, bekam Otelo, wie er in Portugal genannt wird, 16 Prozent der Stimmen. Neun Jahre später stand der einst umjubelte Volksheld vor Gericht, angeklagt wegen Gründung einer terroristischen Vereinigung. Er gab zu, „einen umfassenden Plan für die Machtergreifung der Arbeiter“ verfaßt zu haben, bestritt jedoch, mit FP-25 in Verbindung zu stehen. Das Gericht verurteilte ihn zu 18 Jahren Haft, er ging in Berufung. Nach fünf Jahren mußte Otelo im Mai 1989 freigelassen werden: Über seine Berufung war nicht entschieden, die gesetzliche Höchstdauer der Untersuchungshaft hatte er längst überschritten. Nach seiner Entlassung war Otelo dann seit fast sieben Jahren „vorübergehend auf freiem Fuß“.

Der 59jährige Otelo de Carvalho ist derzeit als Geschäftsmann im Import-Export-Handel tätig. Soares sagt heute über den einstigen Revolutionshelden, er habe oft „viel Unsinn“ geredet. So wolle er der „Fidel Castro Europas“ sein. Doch Portugal sei ihm wegen seiner entscheidenden Rolle beim Sturz der Diktatur zu großem Dank verpflichtet. Theo Pischke